Proteste in Bulgarien:Sozialistenchef Stanischew im Auge des Sturms

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Zeigt sich unbeeindruckt von den Massenprotesten: Bulgariens Sozialistenchef Sergej Stanischew (Foto: AFP)

Tausende protestieren seit Wochen in Bulgarien gegen die Führung des Landes, doch der umstrittene Chef der regierenden Sozialisten, Sergej Stanischew, lehnt einen Rücktritt der Regierung strikt ab. Der Konflikt könnte weiter eskalieren - mit seiner harten Linie hätte Stanischew daran einen wesentlichen Anteil.

Von Klaus Brill

Er weicht nicht zurück, keinen Millimeter. Sergej Stanischew, der Vorsitzende der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), lehnt auch nach 40 Tagen friedlicher Demonstrationen und erster Zusammenstöße am Parlament in Sofia einen Rücktritt der neuen Regierung strikt ab. Der 47-Jährige sprach am Mittwoch von "einem unakzeptablen Akt des Vandalismus". Damit ist klar: Die Kraftprobe zwischen der Führung des Landes und ihren Gegnern geht weiter und könnte gefährlich eskalieren.

Stanischew steht im Auge des Sturms, und da er seit 2011 auch den Dachverband der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien Europas (PES) leitet, ist ihm erhöhte Aufmerksamkeit sicher. Zwar hat der smarte Funktionär, der von 2005 bis 2009 selbst Premier war, bei der Parlamentswahl im Mai bewusst auf die Spitzenkandidatur verzichtet und den Ökonom Plamen Orescharski als Regierungschef durchgesetzt. Doch bleibt er die sichtbare Zentralfigur in einem Spiel, dessen sonstige Akteure schwer einzuschätzen sind.

Schon seit er 2001 den Vorsitz errang, gilt der gelernte Historiker als junges Gesicht einer alten Partei. Die Sozialisten gingen aus der Kommunistischen Partei Bulgariens hervor und haben nie eine radikale Abkehr von ihr vollzogen, auch wenn sie dem Marxismus-Leninismus abschworen. Schon immer wurde gefragt, wie viel Einfluss die alten Kader noch haben und wie groß in Wahrheit Stanischews Spielraum als Reformer wohl ist. Immerhin stellte er 2008 den Innenminister Rumen Petrow kalt, der Kontakte zur Unterwelt hatte. Vor der jüngsten Wahl verschwand auch mancher Alte von der Kandidatenliste.

Doch wird der 1966 in der Ukraine von einer Russin geborene Stanischew von vielen schon deshalb als Erbwalter der alten Garde angesehen, weil sein Vater Dimitar als Sekretär des Zentralkomitees zur KP-Elite zählte. Der Sohn studierte und promovierte in Moskau; später bildete er sich an der London School of Economics weiter; er spricht deshalb gut Russisch und Englisch.

In der jetzigen Krise ist er parteiintern umstritten, einem Misstrauensvotum entging er nur knapp. Neben dem früheren Präsidenten Georgi Parwanow kritisieren ihn auch Jungsozialisten. Sie verübeln ihm, dass er nicht nur mit der korrupten Partei der türkischen Minderheit zusammenwirke, sondern mangels eigener Mehrheit das Kabinett auch von der neofaschistischen Partei Ataka tolerieren lasse, deren Chef ein glühender Antisemit und Holocaust-Leugner sei.

Frühere Jungfunktionäre wandten sich brieflich an die Spitze der europäischen Sozialisten und äußerten sich tief enttäuscht, dass Stanischew jüngst bei einer Tagung in Sofia Rückendeckung von der PES-Führung erhalten habe, so auch von Martin Schulz, dem Präsidenten des Europaparlaments. Die PES habe damit "ein korruptes Establishment gegen den Kampf der breiten Mehrheit des bulgarischen Volkes für Freiheit und Gerechtigkeit" unterstützt. Das ist kein Kompliment für Stanischew.

© SZ vom 25.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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