Süddeutsche Zeitung

Proteste in Ägypten:Mursi-Anhänger trotzen dem Militär

Die Massendemonstrationen der Unterstützer des gestürzten Präsidenten Mursi gehen weiter - obwohl die Übergangsregierung den Islamisten mit einem harten Vorgehen gedroht hat. Per Dekret ist es dem Militär nun erlaubt, auch Zivilisten festzunehmen. Nach dem blutigen Wochenende mit mindestens 80 Toten wollen UN und EU in dem Konflikt vermitteln.

In der ägyptischen Hauptstadt Kairo haben Tausende Anhänger des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi mit einem Protestmarsch dem Militär getrotzt. Sie trugen Bilder Mursis und skandierten: "Wir opfern unser Blut und unsere Seelen für Mursi." Die Demonstranten drohten damit, die Zentrale des Militärgeheimdienstes anzusteuern, kehrten aber in den frühen Morgenstunden wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Das Militär hatte sie davor gewarnt, sich Armeegebäuden zu nähern.

Nach Angaben eines Sprechers der Muslimbruderschaft starteten die Mursi-Unterstützer von einer Moschee im Norden Kairos aus. Dort befindet sich ein Protestcamp, in dessen Nähe am Samstag mindestens 72 Menschen von Sicherheitskräften erschossen worden waren. Die Zentrale des Militärgeheimdienstes ist mehrere Kilometer davon entfernt.

Militär darf Zivilisten festnehmen

Die ägyptische Übergangsregierung hatte den Mursi-Anhängern im Fall gewalttätiger Proteste erneut mit Härte gedroht. Sollten die Demonstranten ihr "Recht auf friedliche und verantwortungsvolle Meinungsäußerung überschreiten", werde es "entschiedene und harte Maßnahmen" geben, erklärte der Nationale Verteidigungsrat am Sonntag. Dem Gremium sitzt Übergangspräsident Adli Mansur vor, auch Armeechef Abdel Fattah al-Sisi gehört ihm an.

Mansur übertrug am Sonntag seinem Regierungschef Hasem al-Beblawi per Dekret die Befugnis, dem Militär die Festnahme von Zivilisten zu erlauben. Praktisch bedeutet dies, dass al-Beblawi dem Militär in künftigen Krisensituationen freie Hand geben kann, neben oder anstelle der Polizei Demonstranten oder Ruhestörer zu verhaften. Mit welcher Absicht das Dekret erlassen wurde, ist nicht klar.

Bei den jüngsten Ausschreitungen in Kairo hatten Truppen der Bereitschaftspolizei auf islamistische Demonstranten gefeuert, die gegen die Absetzung Mursis Anfang Juli protestiert hatten. Die Armeeführung und das Innenministerium haben mehrfach angekündigt, die Protestcamps der Muslimbrüder räumen zu wollen. Mansurs Dekret könnte auch mit einer Beteiligung der Armee an einer solchen Räumungsaktion in Zusammenhang stehen.

Internationale Bemühungen zur Beilegung der Krise

Am Wochenende waren in Ägypten bei Zusammenstößen zwischen Anhängern Mursis und Sicherheitskräften mindestens 80 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden verletzt. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Unter dem Eindruck des blutigsten Wochenendes seit dem Sturz von Präsident Mursi nehmen die internationalen Bemühungen um eine Beilegung der Krise zu.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drückte in einem Telefonat mit Übergangsvizepräsident Mohammed ElBaradei seine "tiefe Sorge" über den Kurs des Landes aus. "Jeder weitere Tote macht die langfristige Versöhnung schwerer", sagte der UN-Generalsekretär nach Mitteilung seines Büros. Ban habe ferner mit den Außenministern der Türkei und Katars sowie dem Generalsekretär der Arabischen Liga die Lage in Ägypten erörtert. Auch dabei habe er sich tief beunruhigt gezeigt und darauf hingewiesen, dass die ägyptischen Behörden "schnell ihre Anstrengungen zur Aufnahme eines ernsthaften integrativen politischen Prozesses verstärken müssen".

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will noch an diesem Montag in Kairo mit der Führung der Übergangsregierung und Vertretern der Muslimbruderschaft zusammenkommen. "Ich reise nach Ägypten, um alle Seiten zu treffen und um unsere Botschaft zu bekräftigen, dass es einen vollständig integrativen Übergangsprozess geben muss, der alle politischen Gruppen inklusive der Muslimbruderschaft einbezieht", erklärte Ashton am Sonntag vor ihrem Abflug nach Kairo. Dieser Prozess müsse "so schnell wie möglich zu einer verfassungsmäßigen Ordnung, freien und fairen Wahlen und einer zivil geleiteten Regierung führen", so Ashton weiter.

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