Proteste im Jemen:Tote und Verletzte bei Demonstrationen in Sanaa

Sicherheitskräfte feuerten in die Menge, die Opposition spricht von einem Massaker: Im Jemen sind bei Protesten gegen Präsident Salih mindestens zwölf Menschen getötet worden. Hunderte sollen verletzt worden sein.

In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa sind bei Protesten gegen Präsident Salih offenbar mindestens zwölf Demonstranten getötet und 109 verletzt worden. Sicherheitskräfte hätten das Feuer auf die Regierungsgegner eröffnet, sagte ein Arzt, der an der Protestaktion teilgenommen hatte. Viele der Toten und Verletzten hätten Schusswunden an Kopf und Oberkörper aufgewiesen.

Zuvor hatte sich nach zwei Monaten der Proteste gegen den seit 32 Jahren amtierenden Präsidenten noch eine Einigung abgezeichnet: Teile der Opposition hatten einem Vermittlungsvorschlag des Golfkooperationsrates zugestimmt. Doch angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte dürfte sich die Lage wieder zuspitzen.

Etwa hunderttausend Demonstranten kamen am Mittwoch auf einem Platz in Sanaa zusammen, auf dem seit Beginn der Proteste die größten Kundgebungen des Landes stattfinden. Die Menge verteilte sich auf die umliegenden Straßen und demonstrierte auch vor dem Sitz des Staatsfernsehens.

Augenzeugen berichteten, dass Sicherheitskräfte und Soldaten der Republikanischen Garde mit scharfer Munition und Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen seien. Den Berichten zufolge waren auch Scharfschützen auf den Dächern positioniert. Aktivisten zufolge waren die Sicherheitskräfte in zivil gekleidet. "Wir hatten uns friedlich um das Gebäude des Staatsfernsehens versammelt, als ich plötzlich Schüsse hörte", sagte ein Demonstrant. Die Menschen seien in Panik ausgebrochen und auseinandergestoben, viele seien dabei zu Boden gegangen.

Am Dienstag hatten einige Regierungsgegner noch angekündigt, auf den Vermittlungsvorschlag des Golfkooperationsrates einzugehen, und eine baldige Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung mit Salih in Aussicht gestellt. Dieser hatte dem Vorschlag, seine Macht innerhalb von 30 Tagen an seinen Vize abzugeben und im Gegenzug straffrei auszugehen, bereits zugestimmt. Die Außenminister der sechs zum Kooperationsrat gehörenden Golfstaaten wollen am Sonntag in der saudischen Hauptstadt Riad zusammenkommen, um ein entsprechendes Papier auszuarbeiten.

Kampagne des zivilen Ungehorsams

Doch das Lager derer, die für eine Fortsetzung der Proteste eintreten, dürfte nun weiter erstarken. Die große Beteiligung an der Protestaktion am Mittwoch zeigte, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine Einigung mit Salih abzulehnen scheint: Landesweit legten Bürger mit einer Kampagne des zivilen Ungehorsams große Teile des öffentlichen Lebens lahm. Augenzeugen zufolge blieben Schulen, Behörden und Geschäfte nach einem Streikaufruf der Opposition in mindestens 18 Städten geschlossen.

Nach dem Willen der Regierungsgegner soll die Kampagne bis zum Rücktritt Salihs zwei Mal wöchentlich stattfinden. Auch in Tais, der zweitgrößten Stadt des Landes, gingen am Mittwoch erneut zehntausende Regierungsgegner aus Protest gegen den Vermittlungsvorschlag auf die Straße. In der Hafenstadt Aden gingen Soldaten der Republikanischen Garde nach Angaben eines Aktivisten mit Panzern und schweren Waffen gegen Demonstranten vor, die dem Ausbruch des jemenitischen Bürgerkrieges von 1994 gedachten. Dabei sei mindestens ein Demonstrant getötet worden. Dutzende weitere wurden den Angaben zufolge verletzt.

Nach Angaben eines Sprechers der Streitkräfte kamen vor der Stadt Sindschibar zwei Soldaten ums Leben; drei weitere wurden verletzt. Maskierte Männer griffen demnach einen Kontrollposten der Streitkräfte vor der Hauptstadt der Südprovinz Abjan an. Die Provinz gilt als Hochburg militanter Islamisten. Seit Beginn der Proteste vor zwei Monaten sind schätzungsweise mehr als 130 Menschen von Sicherheitskräften und Anhängern Salehs getötet worden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: