Süddeutsche Zeitung

Proteste gegen Sparkurs in Spanien eskalieren:Zahlreiche Verletzte bei Demonstration in Madrid

"Ihr vertretet uns nicht": Bei Protesten gegen den rigiden Sparkurs der spanischen Regierung in Madrid ist es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Doch während sich die Menschen gegen die Sparmaßnahmen wehren, warnt die Zentralbank vor einer tiefen Rezession.

Proteste gegen den Sparkurs der konservativen Regierung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy sind am Dienstagabend in Madrid eskaliert. Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten seien 64 Menschen verletzt worden, darunter seien 27 Sicherheitskräfte, teilte die Polizei mit. 35 mutmaßliche Gewalttäter seien festgenommen worden.

Einen Tag nach gewaltsamen Protesten gegen neue Sparmaßnahmen warnte die Zentralbank des Landes vor einer tiefen Rezession der heimischen Wirtschaft. Die Finanzmärkte würden zunehmend nervöser und die Wirtschaft schrumpfe spürbar, teilte die Bank am Mittwoch mit. Nach Einschätzung der Regierung wird die Wirtschaft 2012 um 1,5 Prozent schrumpfen. Die Rezessionswarnung der Zentralbank legt nahe, dass die Wirtschaftskraft durchaus in höherem Maße zurückgehen könnte. Morgen soll der neue Haushaltsentwurf vorgestellt werden.

Mehr als 1000 Polizisten sperren Parlament ab

An den Protesten, deren Ziel das Parlament war, nahmen nach offiziellen Angaben etwa 6000 Menschen teil. Die Polizei hatte den Zugang zum Parlament mit einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften abgeriegelt. Die Lage sei gegen 19 Uhr eskaliert, hieß es in spanischen Medienberichten, als Demonstranten versuchten, Absperrungen in der Nähe des Abgeordnetenhauses zu durchbrechen.

Die Demonstranten hatten im Vorfeld angekündigt, das Parlamentsgebäude nicht erstürmen zu wollen, sondern lediglich um das Gebäude herum zu marschieren. Absperrgitter und die 1300 Polizisten rund um das Gebäude versperrten ihnen aber am Dienstagabend den Weg. Die aufgebrachte Menge besetzte daraufhin einen nahe gelegenen Platz und skandierte "Raus mit euch", "Ihr vertretet uns nicht" in Richtung Parlament.

Die Sicherheitskräfte setzten Gummigeschosse und Schlagstöcke ein. Der Großteil der Demonstranten blieb jedoch friedlich. Nach Mitternacht vertrieb die Polizei die letzten Protestierer ohne weitere Zwischenfälle.

Demokratie als Geisel genommen

Seit dem Nachmittag hatten sich Tausende, von denen viele nicht aus Madrid waren, in der Umgebung des Parlaments versammelt. Eine Initiative hatte dazu aufgerufen, das Parlament zu umzingeln. Der Aufruf war über soziale Netzwerke verbreitet worden.

Der Unmut der Menschen richtet sich gegen den rigiden Sparkurs Rajoys. Sie verlangen überdies die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und den Rücktritt der Regierung. Sie werfen den Politikern auch vor, die Demokratie als Geisel genommen zu haben.

"Die einzige Lösung ist, dass wir jeden im Parlament auf die Straße setzen, damit sie wissen, wie es sich anfühlt", sagte eine der Demonstrantinnen, Maria Pilar López. Die Organisatoren der Protestaktion erklärten, die Sparmaßnahmen zeigten, dass die regierende Volkspartei den Menschen im vergangenen Jahr falsche Versprechungen gemacht habe, um gewählt zu werden.

Auch in Barcelona und Sevilla kam es zu kleineren Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmern.

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