Proteste gegen Mohammed-Schmähungen:Sieg der Zündler

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Erneut gehen wütende Muslime nach dem Freitagsgebet gegen die Verunglimpfung ihrer Religion auf die Straße. Neue Karikaturen haben ihre Wut angefacht, nur zaghaft wirken die Deeskalationsversuche der Politik. Haben diejenigen, die den Kampf der Kulturen propagieren, die Oberhand?

Der Welt steht ein heißer Freitag bevor. Es brennen wieder Flaggen, Gewalt beherrscht die Szenerie in einigen Städten der islamischen Welt. Schon zur Mittagszeit gab es die ersten Meldungen über Tote.

Proteste in Bangladesch: Zaghafte Löschversuche der Politik (Foto: dpa)

Zwar sind mittlerweile gut zwei Wochen vergangen, seit arabische Medien den Schmähfilm "Innocence of Muslims" des Amerikaners Nakoula Basseley Nakoula zum Thema machten. Doch neue Mohammed-Karikaturen sorgen dafür, dass der Protest aufgebrachter Muslime gegen die Verunglimpfung ihrer Religion nicht abebbt, im Gegenteil.

An diesem Freitag könnten die Proteste einen neuen Höhepunkt erreichen, wenn sich Gläubige überall auf der Welt zum traditionellen Gebet treffen. Vielerorts sind anschließend Demonstrationen angekündigt - etwa in Pakistan, wo Premierminister Raja Pervez einen landesweiten Feiertag zu Ehren des Propheten Mohammed ausrief. Aber auch in Deutschland wollen Menschen auf die Straße gehen: in Freiburg, Münster, Hannover und Cuxhaven werden Kundgebungen erwartet.

Erinnerungen an 2005 werden wach: Damals hielt die Empörung monatelang an, nachdem die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte. Die Proteste reichten bis ins südafrikanische Kapstadt.

Diesmal warnen Experten wie Tarak Barkawi von der Universität Cambridge vor einem Arabischen Herbst, der anders als der Arabische Frühling nicht gemäßigten, sondern fundamentalistischen Kräften zu mehr Macht verhelfen könnte. Die vergangene Woche habe gezeigt, dass "der politische Islam global agiert, während die Antwort des Westens im Schlamm der einzelstaatlichen Lokalpolitik stecken bleibt", schreibt Barkawi.

Zaghafte Löschversuche der Politik

Tatsächlich: Auf beiden Seiten versuchen Zündler, die Situation zur Eskalation zu bringen - und die Löschversuche der Politik sind eher zaghaft. Weil das französische Satiremagazin Charlie Hebdo seine aktuelle Ausgabe mit Mohammed-Karikaturen bewirbt, richtet sich der Zorn der Muslime nun auch auf Frankreich. Zahlreiche französische Schulen und Institute in Nordafrika bleiben deshalb an diesem Freitag geschlossen.

Furor dürften auch die Plakate entfachen, die von der kommenden Woche an in der New Yorker U-Bahn zu sehen sein werden. Darauf werden Muslime indirekt mit "unzivilisierten Wilden" verglichen. Die konservative Bloggerin Pamela Geller erhielt die gerichtliche Erlaubnis, die Plakate in zehn U-Bahn-Stationen aufzuhängen. Die New Yorker Verkehrsbehörde MTA hatte die Aktion abgelehnt, weil Muslime auf den Posterrn erniedrigt würden.

In dem Text der Plakate heißt es: "Unterstützt in jedem Krieg zwischen dem zivilisierten Menschen und den Wilden den zivilisierten Menschen. Unterstützt Israel, besiegt den Dschihad." Die Urheberin sagte der New York Times, sie werde sich "nie vor Gewalt wegducken und aufhören die Wahrheit zu sagen, bloß weil es gefährlich ist." Dem Nachrichtensender Fox zufolge plant Geller die Plakate auch in Washington aufhängen zu lassen. Da sich die dortige Verkehrsbehörde bisher dagegen wehrt, will die Bloggerin Klage einreichen.

Die US-Regierung setzt derweil auf TV-Spots, um die Gewalt in muslimischen Ländern einzudämmen. Das US-Außenministerium gab bekannt, Sendezeit bei sieben pakistanischen Fernsehsendern gekauft zu haben, um bis zu 90 Millionen Menschen zu erreichen - das ist die theoretisch Zahl möglicher TV-Empfänger. Die kurzen Filme werden auch im amerikanischen Fernsehen gezeigt. Darin ist US-Präsident Barack Obama zu sehen, der betont, die Vereinigten Staaten würden seit ihrer Gründung alle Glaubensrichtungen akzeptieren.

Auch Außenministerin Hillary Clinton kommt zu Wort: Sie weist darauf hin, die USA hätten nichts mit dem Film "Innocence of Muslims" zu tun und würden dessen Botschaft ablehnen. Die Spots sind in Urdu untertitelt, der Amtssprache Pakistans.

Innenministerium stoppt Kampagne

Die Bundesregierung reagiert derweil mit einer Art Nicht-Aktion: Eigentlich sollte an diesem Freitag Plakate gegen Islamismus aufgehängt werden, doch das Innenministerium hat die umstrittene Kampagne mit dem Titel "Vermisst" vorerst gestoppt - wegen einer aktuellen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes, wie das Ministerium von Hans-Peter Friedrich mitteilte.

Ein Sprecher sagte, es gebe zwar keine Erkenntnisse über eine konkrete Gefährdung. Allerdings spiele der Kontext der Proteste gegen das islamfeindliche Schmähvideo und andere Unruhen in islamischen Ländern eine Rolle. Es sei nicht auszuschließen, dass dies bei fanatisierten Einzeltätern "einen Tatimpuls" auslösen könnte.

Angesichts der Proteste werden die Mahnungen zur Mäßigung lauter. So erklärte der ägyptische Großmufti Ali Gooma in einem weltweit veröffentlichten Text, Muslime sollten sich am Propheten Mohammed selbst ein Beispiel nehmen. "Obwohl ihm immer wieder von Feinden übel mitgespielt wurde, ignorierte er diese Beleidigungen stets und nahm stattdessen den Pfad von Vergebung, Gnade und Mitleid."

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