Einige europäische Länder und die USA befürchten eine erneute Eskalation der Gewalt in muslimischen Ländern: Vor den Freitagsgebeten haben Deutschland und Frankreich aus Furcht vor Racheakten wegen des antiislamischen Videos und neuer Mohammed-Karikaturen ihre Botschaften in Alarmbereitschaft versetzt.
Überall in der Region seien die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Berlin. Es sei nicht auszuschließen, dass zusätzlich zu den am islamischen Feiertag ohnehin geschlossenen Botschaften weitere deutsche Vertretungen geschlossen blieben.
Die deutsche Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum war am vergangenen Freitag von einem wütenden Mob angegriffen und in Brand gesetzt worden. Bei den weltweiten Protesten gegen den Mohammed-Schmähfilm sind seit vergangener Woche mehrere Menschen ums Leben gekommen.
Auch in Deutschland sind Proteste geplant. In Freiburg wollen etwa 800 Muslime gegen die Verunglimpfung des Propheten auf die Straße gehen. Die Polizei erwartet einen friedlichen Verlauf. In Münster plant ein Verein unter dem Motto "Gegen den religionsbeleidigenden Film im Internet", in der Innenstadt zu demonstrieren. Auch in Hannover und Cuxhaven wollen Menschen protestieren.
Die USA haben bereits auf die befrüchteten Ausschreitungen reagiert und ihre Botschaft in Indonesien geschlossen. Auch die amerikanische Vertretung beim Verband der Südostasiatischen Länder blieb zu. Vor der Botschaft in Jakarta wurden Wasserwerfer aufgestellt, Stacheldraht wurde ausgerollt.
In Pakistan kam es bereits vor den traditionellen Freitagsgebeten zu Gewalt. Mehr als Tausend Demonstranten lieferten sich am Donnerstag in Islamabad heftige Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften.
In Iran protestierten Studenten vor der französischen Botschaft und skandierten "Tod für Frankreich" und "Nieder mit den USA". Auch in Afghanistan, dem Irak und Indonesien gab es kleinere Demonstrationen.
Massenproteste in der islamischen Welt erwartet
Am Freitag - für Muslime der arbeitsfreie "Tag der Zusammenkunft" - werden Massenproteste in der islamischen Welt erwartet. Frankreich kündigte bereits an, rund 20 Botschaften, Konsulate und Schulen zu schließen. So befürchtet Paris, dass in der Satirezeitschrift Charlie Hebdo veröffentliche Mohammed-Karikaturen Vergeltungsschläge provozieren könnte.
In Pakistan eskalierte derweil der Protest gegen den Schmähfilm. Mehr als 2000 Demonstranten versuchten, sich in der Hauptstadt Islamabad Zugang zur US-Botschaft zu verschaffen, die in einem bewachten Gelände untergebracht ist. Steine flogen durch die Luft. Bereitschaftspolizisten setzten Tränengas und Schlagstöcke ein, um die Menschenmenge fernzuhalten. Hunderte Container wurden aufgereiht, um das Areal abzusperren.
Bei einigen der Demonstranten handelt es sich um Studenten, die mit der ultrakonservativen islamischen Partei Jamaat-e-Islami in Verbindung stehen. Auch in den Städten Lahore, Chaman, Karachi und Peshawar kam es zu Demonstrationen, die jedoch weitgehend friedlich verliefen.
In Pakistan dürften sich die Proteste am Freitag ausweiten. Schon vorher hatte die Regierung einen nationalen Feiertag ausgerufen, damit die Menschen am traditionellen Gebetstag friedlich gegen den Film protestieren können. In seltener Eintracht begrüßten die pakistanischen Taliban den Schritt.
Allerdings solle die Regierung auch alle US-Diplomaten des Landes verweisen, erklärte ein Sprecher der Extremistengruppe. Am Donnerstag zwangen Proteste die USA dazu, ihre Konsulate in den indonesischen Städten Makassar und Medan den zweiten Tag in Folge nicht zu öffnen.
Die Demonstranten in Makassar zogen auch vor eine Filiale der Fastfood-Kette McDonalds, die daraufhin schloss. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki verurteilte den in den USA produzierten Film "Die Unschuld der Muslime" und die in der Satirezeitschrift Charlie Hebdo veröffentlichten Mohammed-Karikaturen als Beleidigung für Muslime. Gleichzeitig rief er schiitische und sunnitische Gläubige auf, einträchtig muslimische Werte zu verteidigen.
Proteste in Afghanistan
In Afghanistan protestierten unterdessen einige Hundert Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt Kabul gegen das Schmähvideo und skandierten antiamerikanische Parolen.
Seit dem Beginn der durch den Schmähfilm ausgelösten Ausschreitungen am 11. September in mehr als 20 Ländern wurden mindestens 30 Menschen getötet, darunter der US-Botschafter in Libyen.
Mit Blick auf die brisante Sicherheitslage vertagte das Bundesinnenministerium den Start der Öffentlichkeitskampagne "Vermisst". Hintergrund sei eine "aktuelle Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamtes", teilte das Ressort am Donnerstag in Berlin mit. Die Kampagne werde ansonsten planmäßig fortgesetzt.
Mit den Plakaten, die ab Freitag ausgehängt werden sollten, wollte der Innenminister im Stil von Vermisstenanzeigen für seine Anlaufstelle gegen islamistische Radikalisierung werben. Die Aktion war nicht nur unter Muslimen umstritten.
Die Veröffentlichung des Videos und der Karikaturen sowie die wütenden Reaktionen von Muslimen darauf haben weltweit Diskussionen ausgelöst, wie weit Meinungsfreiheit gelten soll, wenn sie religiöse Gefühle verletzt. Bundesaußenminister Westerwelle mahnte Ruhe und Mäßigung an. "Ich rufe dazu auf, dass die Empörung, die sich auch in vielen islamischen Ländern verbreitet, friedlich zum Ausdruck gebracht wird."