Proteste gegen den Papst:Ein Heidenspaß

Der Papst kommt nach Deutschland - Tausende Demonstranten ziehen auf die Straße. Homo- und Heterosexuelle, Frauenrechtsgruppen, sexualpädagogische Einrichtungen, die Aids-Hilfe, Atheisten und gläubige Katholiken machen ihrem Unmut Luft. Die Kirche gibt sich gelassen, fürchtet aber Vorkommnisse wie bei einem Besuch von Benedikts Vorgänger.

Lydia Bentsche

Wenn der Papst an diesem Donnerstag um 16.15 Uhr im Bundestag die ersten Worte seiner Rede spricht, werden bereits Tausende gegen seine in ihren Augen "menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik" demonstrieren. Hören wird Benedikt XVI. von diesem Protest jedoch nichts. Das haben die Berliner Polizei und das Verwaltungsgericht entschieden.

Der Papst besucht Deutschland

Teilnehmer einer Protestaktion der "Bundesinitiative Kinder im Heim" demonstrieren während des Papstbesuchs in Berlin vor dem Brandenburger Tor.

(Foto: dapd)

Anstatt wie geplant am Brandenburger Tor wird die Kundgebung des Bündnisses "Der Papst kommt" nun am Potsdamer Platz beginnen. "Wir wollten in Hörweite des Bundestags demonstrieren und können nicht ganz nachvollziehen, warum uns der Start am Brandenburger Tor verboten wurde", sagt Jörg Steinert, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands Brandenburg-Berlin (LSVD). Dieser koordiniert das Bündnis. Der Platz liege außerhalb der Bannmeile und die Veranstalter hätten von Anfang an versichert, keine Wege zu blockieren.

Ihren Spaß lassen sich die 68 Organisationen, die sich auf Initiative des LSVD im Bündnis "Der Papst kommt" zusammengeschlossen haben, trotzdem nicht verderben. Mit der Alternativroute durch Berlins Mitte sind sie zufrieden. Homo- und Heterosexuelle, Frauenrechtsgruppen, sexualpädagogische Einrichtungen, humanistische Vereine, Aids-Hilfe, Gewerkschaftsbund, Ex-Muslime und Mitglieder von SPD, Grünen und der Linken, Gläubige und Atheisten unterstützen das Bündnis. "Wir kommen nicht aus einer Ecke der Gesellschaft, sondern sind ein Spiegel der Gesellschaft", sagt Steinert. Das ist ihm wichtig. Stolz berichtet er, dass Angestellte der katholischen Kirche, die im Sozialbereich tätig sind, das Bündnis loben.

"Wir demonstrieren gegen Diskriminierung und Verfolgung von Homosexuellen, gegen die Ungleichbehandlung von Frauen, gegen die Kondompolitik und andere Arten von Herabsetzungen durch den Papst", erklärt Steinert. Es sollen nicht gläubige Katholiken angegriffen und in ihren Gefühlen verletzt werden, betont er, "wir wenden uns gegen die Politik von Amtsträgern und Amtskirche".

Es sei unhaltbar, dass Joseph Ratzinger das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft als "Legalisierung des Bösen" bezeichnete. Und dass der Vatikan sich in Fragen der Entkriminalisierung sexueller Gewalt auf die Seite Irans stelle und wider den Menschenrechten handle. "Das ist eine Denkweise, gegen die wir uns wenden", sagt der Bündnissprecher.

Von der Zahl der Unterstützer ist Steinert überrascht. "Mit solch einem breiten Protest hatten wir bei der Gründung im Februar nicht gerechnet. Wir dachten, wenn sich 20 Organisationen zusammentun, ist das ein Erfolg." Über eine Website, eine Facebook-Seite, Twitter, Plakate und Postkarten hat "Der Papst kommt" Menschen aus ganz Deutschland mobilisiert, viele Symphatisanten gewann das Bündnis durch die beteiligten Organisationen. Mehr als 6000 Personen haben der Resolution des Bündnisses mittlerweile zugestimmt, die online auf Deutsch, Englisch, Polnisch, Spanisch und Türkisch zu lesen ist. Steinert weiß von Unterstützern aus Singapur, Österreich, der Schweiz und Frankreich, die sich dem Protest anschließen werden.

Papstgegner in Berlin, Erfurt und Freiburg

Mindestens 10.000 Menschen erwartet das papstkritische Bündnis zu seiner Demonstration in Berlin. "Das sind mit Sicherheit mehr Menschen als alle, die zur gleichen Zeit im Bundestag die Rede des Papstes anhören", sagt Steinert. "Doch von unserer Seite wird es keine Vergleiche zwischen der Anzahl an Demonstranten und Gottesdienstbesuchern geben. Da vergleicht man ja Äpfel und Birnen."

Proteste gegen den Papst: Mindestens 10.000 Menschen wollen in Berlin gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes demonstrieren. (Karikatur: Ralf König)

Mindestens 10.000 Menschen wollen in Berlin gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes demonstrieren. (Karikatur: Ralf König)

Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hingegen wünscht sich, "dass die Zahlen von Gottesdienstteilnehmern - bis jetzt sind es erfreulicherweise schon über 260.000 Menschen - in eine angemessene Relation gesetzt werden zu den doch kleineren Demonstrantengruppen".

Die Papstgegner haben sich nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in Erfurt und Freiburg organisiert - also in jenen Städten, die das Kirchenoberhaupt auf seiner Deutschlandreise ebenfalls besucht. Sie stehen in regelmäßigem Austausch. In Erfurt erwartet das Bündnis "Heidenspaß statt Höllenangst" etwa 300 Teilnehmer zu einer Demonstration am frühen Freitagabend. Am Samstag wollen die Kritiker eine "religionsfreie Zone" im Stadtzentrum einrichten. Die Gruppe "Freiburg ohne Papst" veranstaltet keine Demonstration: Sie möchte dem grünen Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon mehr als 4500 gesammelte Unterschriften übergeben und damit den Eintrag des Papstes ins Goldene Buch der Stadt verhindern.

Der Berliner Steinert wünscht sich, dass die Demonstration "bunt, laut und fröhlich" und in jedem Fall gewaltfrei abläuft - jedoch soll sie kein zweiter Christopher Street Day werden. "Es wird elf Wagen geben, aber der Großteil der Demonstranten wird zu Fuß durch Berlin ziehen."

Dem Bündnis war es wichtig, ein Motto zu finden, dass sich nicht gegen Religion an sich wendet. Denn auch Gläubige sind herzlich eingeladen. Nun hat es sich für "Keine Macht den Dogmen" entschieden. Eine Eintagsfliege ist der Protest nicht: Bereits Wochen und Tage vor der Demonstration veranstaltete "Der Papst kommt" Vorträge, Tagungen und Diskussionen, danach wird ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert und über Homosexualität und Kirche diskutiert.

"Nur weil wir demonstrieren, wird der Papst seine Einstellung nicht ändern"

Einige Bundestagsabgeordnete unterstützen die Kritik von "Der Papst kommt" und haben angekündigt, nicht die Papstrede anzuhören, sondern an der Demonstration teilzunehmen. Auch deshalb ist Steinert optimistisch, dass das Bündnis während des Papstbesuchs eine "Gegenöffentlichkeit für universelle Menschenrechte und freiheitliche Demokratie" schaffen wird. Naiv ist er dennoch nicht. "Nur weil wir einmal demonstrieren, wird der Papst seine Einstellung nicht ändern."

In der Hauptstadt immerhin bewegt sich etwas: Zum ersten Mal hat ein Berliner Erzbischof ein Gesprächsangebot des LSVD angenommen. Erzbischof Rainer Maria Woelki und die Vertreter des Homosexuellen-Verbands hätten "in freundlicher Atmosphäre" und unter Anwesenheit des Generalkoordinators der Papstreise, Hans Langendörfer, ihre Positionen erläutert, sagt Steinert. "Doch werden den netten Worten auch Taten folgen?"

Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, sieht den Demonstrationen gelassen entgegen: "Jeder kann in unserem Land seine Meinung frei äußern." Der Papst sieht das genauso. "Das ist normal in einer freien Gesellschaft", erklärte Benedikt XVI. auf dem Flug nach Deutschland. Aus der Pressestelle der Bischofskonferenz heißt es, Gegenproteste seien nicht nötig, Gottesdienste genügten als Ausdruck der christlichen Überzeugung.

Allerdings bittet Zollitsch um friedliche Proteste, die weder Papst noch Gottesdienstteilnehmer stören. Eierwürfe wie beim Besuch von Johannes Paul II. vor 15 Jahren soll es diesmal nicht geben.

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