Protest gegen Präsident Mursi:Ägyptische Richter rufen zu Streik auf

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Die Allmachtsfantasien des Präsidenten treffen auf Widerstand: Eine einflussreiche Richtervereinigung hat zum landesweiten Streik aufgerufen, ranghöchste Mitglieder der ägyptischen Justiz rügen Mohammed Mursi für dessen "Angriff auf die Unabhängigkeit" der Gerichte. Medienberichten zufolge soll der neue Generalstaatsanwalt des Präsidenten Juristen vorgeladen haben.

Ägyptens Präsident Mohammed Mursi spricht vor seinen Anhängern in Kairo und verteidigt seine umstrittenen Beschlüsse. (Foto: Reuters)

Ägyptens Richter haben aus Protest gegen den Machtausbau des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Richter und Staatsanwälte sollten ihre Arbeit ab sofort ruhen lassen, teilte der einflussreiche Club ägyptischer Richter am Samstag mit. Er rief Mursi auf, seine Dekrete zurückzunehmen und den von ihm abgesetzten Generalstaatsanwalt Abdel Maguid Mahmud wieder einzusetzen.

Zuvor hatte bereits der Oberste Richterrat von Ägypten die umstrittene Verfassungserklärung des Präsidenten abgelehnt. Das Gremium erklärte am Samstag nach einer Krisensitzung in Kairo, dies sei "ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Richter und ihre Urteile, wie es ihn zuvor noch nie gegeben hat". Es sei bedauerlich, dass Mursi die Erklärung abgegeben habe.

Mursi, ein Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft, hatte am Donnerstag erklärt, das Verfassungsgericht habe nicht das Recht, die Umsetzung seiner Dekrete zu behindern. Er bestimmte zudem, dass die verfassungsgebende Versammlung juristische Immunität genieße. Damit wird das von Islamisten dominierte Gremium vor einer Reihe von Klagen geschützt, die in dessen Auflösung hätten münden können. So brachte der Präsident nicht nur die Richter gegen sich auf, sondern auch alle linken und liberalen Parteien des Landes. Diese werfen ihm jetzt vor, er führe sich auf wie ein Diktator.

In den Provinzen Alexandria, Damanhur und Al-Bahreia legten nach Angaben arabischer Medien zahlreiche Richter ihre Arbeit nieder. Sie erklärten, sie wollten ihren Streik erst beenden, wenn Mursis Verfassungserklärung zurückgenommen werde.

Neuer Generalstaatsanwalt lädt Kritiker vor

Die Position der Muslimbruderschaft ist: Die Richter seien korrupt und alle noch von dem 2011 entmachteten Präsidenten Hosni Mubarak ernannt worden.

Laut Medienberichten nimmt sich der neue Generalstaatsanwalt Talaat Ibrahim Abdullah unterdessen die Kritiker Mursis vor. Abdullahs Vorgänger, Abdel Meguid Mahmud, war von Mursi zum Ärger der Opposition entlassen worden. Der oberste Ankläger lud demnach am Samstag einen Politiker und zwei Juristen vor, die sich gegen die Entmachtung der Justiz durch den Präsidenten ausgesprochen hatten.

Den beiden Männern wird vorgeworfen, sie versuchten, das System zu stürzen. Außerdem hätten sie sich gegen Entscheidungen des Präsidenten gestellt und zum zivilen Ungehorsam aufgerufen.

Das staatliche Nachrichtenportal Al-Ahram berichtete, betroffen seien Ahmed al-Sind, der Vorsitzende der Richterkammer, der Jura-Professor Hossam Issa und Hamdi al-Facharani, ein ehemaliger Parlamentarier. Issa sagte der Zeitung Al-Masry Al-Youm, er habe bislang keine offizielle Vorladung erhalten. Er fügte hinzu: "Ich werde weiterhin meine Meinung sagen und lasse mich von niemandem einschüchtern."

Proteste in Ägypten
:Gewalt auf dem Tahrir-Platz

Zehntausende demonstrieren auf dem Tahrir-Platz gegen Präsident Mursis neue Machtbefugnisse, die er sich selbst verliehen hat. Die Polizei geht hart gegen die Demonstranten vor. Gewalt bricht aus.

Mursi hatte am Freitag seine Beschlüsse verteidigt und vor Anhängern vor dem Präsidentenpalast versichert, weiter für "Freiheit und Demokratie" zu arbeiten. Die Opposition warf ihm hingegen einen "Staatsstreich" vor und bezeichnete ihn als "neuen Pharao".

In mehreren Städten gab es Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten. In Alexandria und Suez steckten Gegner Gebäude seiner Partei für Freiheit und Gerechtigkeit in Brand. Die EU und die USA äußerten sich besorgt über Mursis Entscheidung.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat Mursi unterdessen aufgefordert, an der Demokratisierung festzuhalten und die Gewaltenteilung zu achten. "Wir beobachten die Entwicklungen in Ägypten mit großer Sorge", sagte Westerwelle am Samstag in Bonn. Die Ideale der Revolution dürften nicht verloren gehen. Mursi habe bei der Vermittlung der Waffenruhe im Gazastreifen Anfang der Woche Verantwortung bewiesen, sagte der FDP-Politiker. Er setze darauf, dass Mursi dieses Verantwortungsgefühl nun auch innenpolitisch zeige.

Trotz des Einsatzes von Tränengas durch die Polizei harrten zahlreiche Oppositionsanhänger am Samstag auf dem Kairoer Tahrir-Platz aus. Die Partei des Nasseristen Hamdin Sabbahi rief für den kommenden Dienstag zu neuen Massenprotesten auf.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/fran - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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