Prostitution:Retten, was zu retten ist

Familienministerin Manuela Schwesig will das über Monate ausgehandelte Prostituiertenschutzgesetz entschärfen: Der neue Entwurf sieht unter anderem eine deutlich gelockerte Meldepflicht vor. Die Union ist entsetzt.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Zwei Jahre haben SPD und Union über ein Gesetz zum Schutz von Prostituierten verhandelt. Was ohnehin mühselig war, weitet sich jetzt zum Krach in der Koalition aus. Ein "Affront" sei das Verhalten von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön am Mittwoch: "Das ist Wahlkampf, das ist keine seriöse Politik." Auch der familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg, ist verärgert über Schwesigs jüngstes Manöver beim Prostituiertenschutzgesetz. Es sei "respektlos, wie hier mit dem Partner umgegangen wird", sagte Weinberg. Die Union habe zahlreiche Kompromisse mitgetragen, aber irgendwann "ist die Orgel aus, dann ist auch Schluss."

Hintergrund des Streits ist die Entscheidung von Familienministerin Schwesig, einen Entwurf des Prostituiertenschutzgesetzes, der bereits in der Ressortabstimmung war, zu kassieren. Vergangene Woche legte Schwesig den Bundesministerien unangekündigt einen neuen Entwurf zur Abstimmung vor. Zentrale Elemente wurden abgeändert - im Sinne der SPD.

Grundsätzlich besteht das Gesetz aus zwei Teilen. Zum einen müssen Bordellbetreiber künftig ihr Gewerbe anmelden und nachweisen, dass sie keine kriminelle Vergangenheit haben. Das soll so bleiben. Zum anderen werden Prostituierte zur Anmeldung und Gesundheitsberatung verpflichtet, hier gab es Ärger mit der Union. Sie will, dass Behörden möglichst genau nachvollziehen können, welcher oder welche Prostituierte sich wo aufhält. So könne in Zwangslagen besser geholfen werden. Die SPD stimmte den Auflagen zu, warnte aber vor unnötiger Schikane, die nur zum Rückzug in die Illegalität führe.

Nach dem Entwurf, auf den die Familienpolitiker sich verständigt hatten, müssen Prostituierte sich überall dort behördlich anmelden, wo sie arbeiten, auch wenn es nur kurz ist. Angesichts der hohen Mobilität von Sexarbeitern protestierten die Länder und warnten vor zu viel Bürokratie. Angesichts der Flüchtlingslage seien auch die geplanten Pflichten für Gesundheitsbehörden kaum zu bewältigen. In ihrem neuen Entwurf hat Schwesig die Meldepflichten reduziert: Wer seine Tätigkeit aufnimmt, muss sich einmalig anmelden. Wer über 21 Jahre alt ist, kann die Registrierung online verlängern. Gesundheitsberatungen sollen seltener Pflicht werden.

"Einmalige Anmeldung und dann übers Internet verlängern - hallo?", fragte der CDU-Politiker Weinberg am Mittwoch. So werde der Schutzgedanke des Gesetzes verfehlt. Gesundheitsberatungen seien keine Schikane, sondern hilfreich für Prostituierte, sagte die CDU-Familienpolitikerin Schön. "Wir wollen den vielen ausländischen Frauen einen Kontakt jenseits des Milieus vermitteln." So lernten sie auch ihre Rechte kennen. Schwesigs unabgesprochener Vorstoß sei inakzeptabel. Die Tür für Verhandlungen zuschlagen will die Union nicht. Man bemühe sich weiter um eine "konstruktive Diskussion" - um vom Gesetz zu retten, was noch zu retten ist.

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