Süddeutsche Zeitung

Propaganda im Ukraine-Konflikt:Ex-Pornodarstellerin will keine russische Märtyrerin sein

  • Eine russische Hilfsorganisation behauptet, die Krankenschwester "Sascha Serowa" sei von ukrainischen Soldaten getötet worden.
  • Das Foto zeigt jedoch die ehemalige Pornodarstellerin Sasha Grey aus den USA. Grey hatte in der Vergangenheit ihre Solidarität mit der Regierung der Ukraine geäußert.
  • Unser Überblick zeigt: Nicht jede Propaganda ist so leicht zu durchschauen.

Von Antonie Rietzschel

Sascha Serowa ist tot. Ukrainische Soldaten sollen die Krankenschwester gefangen genommen, verhöhnt und dann mit einer Axt geköpft haben. So beschreibt es "Hilfe für Donbass" auf VKontakte, dem russischen Facebook. Bei "Hilfe für Donbass" handelt es sich eigenen Angaben nach um eine Hilfsorganisation aus Moskau, die Kleidung und Medikamente für die Kämpfer in Luhansk sammelt.

Auf ihrer VKontakte-Seite veröffentlichen sie auch immer wieder angebliche Heldengeschichten. Die von Sascha Serowa hat mittlerweile mehr als 5000 Likes. Ein Foto zeigt sie als junge hübsche Frau mit langen braunen Haaren, ein leises Lächeln auf den Lippen. Genau diese Frau heißt jedoch weder Sascha Serowa, noch ist sie Krankenschwester. Und tot ist sie schon gar nicht.

Das Foto zeigt Sasha Grey, eine ehemalige Pornodarstellerin aus den USA. Sie heißt in Wirklichkeit Marina Ann Hantzis und hat in 271 Hardcore-Filmen mitgespielt und mehrere Preise gewonnen. Für die beste Gruppensexszene zum Beispiel. 2007 war das (ein ausführliches Porträt der Welt). In jüngster Zeit versucht sie sich als Schriftstellerin und Schauspielerin. Zum Ukraine-Konflikt hat sie sich lediglich immer mal wieder per Twitter geäußert:

Wie die Moscow Times berichtet, wurde Grey damals von russischen Bloggern angefeindet. Jetzt machen sie Unterstützer der prorussischen Separatisten zur Märtyrerin und missbrauchen sie für Propagandazwecke. Grey findet das aberwitzig:

Dass es sich bei der Heldengeschichte von Sascha Serowa um eine dreiste Lüge handelt, ist offensichtlich. Der Nachname "Serowa" ist von dem russischen Wort für "grau" oder auf englisch "grey" abgeleitet. Doch in diesem Krieg, in dem Propaganda aber auch Falschinformationen eine große Rolle spielen, sind nicht alle Geschichten so leicht zu durchschauen:

  • Am 11. Februar sprach sich der Republikaner Jim Inhofe im US-Senat für Waffenlieferungen an das ukrainische Militär aus. Als Beweis für die Anwesenheit russischer Kampftruppen zeigte er eine Reihe von Fotos von Militärkonvois. Wie sich später herausstellte, stammen diese Bilder aus dem Krieg zwischen Russland und Georgien 2008. Die Schuld wies Inhofe einer Delegation ukrainischer Offizieller zu, die ihm das Material übergeben haben soll. Die weisen den Vorwurf jedoch zurück.
  • Im Sommer vergangenen Jahres berichtet der russische Fernsehsender Kanal 1, ukrainische Soldaten hätten in Slawjansk einen dreijährigen Jungen an ein Holzbrett genagelt. "Man kann nicht glauben, dass so was noch möglich ist", kommentierte der Moderator. Der Reporter einer russischen Zeitung recherchierte vor Ort, fand jedoch keinerlei Beweise für die Geschichte. Die Bewohner der Stadt hatten noch nie davon gehört.
  • Im November berichtet derselbe Fernsehsender, ukrainische Soldaten würden zwei Sklaven für jeden getöteten Anwohner des Dörfchens Stepaniwka erhalten. Damals war sie schon in der Hand prorussischer Separatisten. Die Informationen des Senders stammen aus einem Interview mit dem von den Separatisten eingesetzten Bürgermeister (ein Storify der Geschichte).
  • Nach dem Abschuss von MH17 in der Ostukraine veröffentlichte Kanal 1 Satellitenbilder, die beweisen sollten, dass ukrainische Kampflugzeuge die Maschine abgeschossen hätten. Die Bilder waren ein Fake.

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