Propaganda-Hilfe:Wie eine US-Agentur den Nazis Material für rassistische Hetze lieferte

Eine Tochter von Associated Press hatte einen Deal mit dem Hitler-Regime.

Von Gustav Seibt

Diktaturen verbreiten gern Bilder von Gräueln, solange es die Gräuel der anderen sind. So wurden die Deutschen seit dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion im Juli 1941 reichlich mit Fotos von Leichen erschossener Gefangener des Geheimdienstes NKWD versorgt.

Die Sowjets hatten es bei ihrem überstürzten Rückzug aus Lemberg vorgezogen, ihr Gefängnis nicht zu evakuieren, sondern dessen Insassen als Tote zu hinterlassen. Die Quelle der auf persönliches Geheiß von Hitler in allen deutschen Zeitungen publizierten Fotos lautete "SS-PK.-Roth-Associated-Preß". Keineswegs ein Druckfehler, wie Harriet Scharnberg, eine Zeithistorikerin aus Halle, nachweisen kann.

Beispiele für die "Fratze des Bolschewismus"

Der Fotograf Franz Roth war als SS-Oberscharführer Mitglied der "SS-Propagandakompanie", zugleich arbeitete er für die damalige deutsche Tochtergesellschaft der amerikanischen Nachrichten- und Bildagentur Associated Press (AP), dem Platzhirsch im internationalen Nachrichtengeschäft bis heute.

Scharnberg kann in ihrer Untersuchung zur Rolle von AP im Dritten Reich ("Das A und P der Propaganda", Zeithistorische Forschungen 13, 2016, Heft 1) das erstaunliche, bis zum US- Kriegseintritt 1942 reibungslose geschäftliche Wechselspiel zwischen der deutschen Diktatur und der New Yorker Nachrichtenfirma nachzeichnen.

Besagter Roth lieferte nicht nur Fotos von Leichen, sondern auch verhärmte Porträts sowjetischer Kriegsgefangener, die als Beispiele für die "Fratze des Bolschewismus" tausendfach reproduziert wurden.

Einige von ihnen schafften es auch auf die von heiteren Konsumanzeigen gepflasterten Seiten amerikanischer Illustrierter. Dort erhielten sie zwar distanzierende Unterschriften ("russische Menschen, für die es laut deutscher Propaganda nicht zu kämpfen lohnt"), doch welche Wirkungen diese Text-Bild-Kombinationen wirklich hatten, lässt sich kaum ermitteln.

Die deutsche Bildabteilung von AP war die einzige nichtdeutsche Agentur, die sich 1935 dem "Reichschriftleitergesetz" unterwarf, das Bildredakteure und Fotografen wie Textjournalisten verpflichtete, aus den Zeitungen fernzuhalten, "was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des deutschen Volkes, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen". Juden wurden entlassen oder versetzt. Die Loyalität galt fortan nicht nur der Firma, auch dem Reich.

Der Deal zwischen der AP-Tochter und dem Regime war, wie Scharnberg zeigen kann, für beide Seiten vorteilhaft: AP konnte als einzige internationale Agentur (vorzensiertes) Bildmaterial aus Deutschland liefern; die deutsche Presse wiederum konnte sich am amerikanischen Fundus bedienen und bekam so einen Anstrich von Internationalität und Objektivität.

Schmallippiges Statement von AP

Das führte zu der bizarren Tatsache, dass einige der weitverbreitetsten antisemitischen Hetzschriften der Nazis zu großen Teilen mit AP-Materialien illustriert wurden. So zeigte "Die Juden in USA" 1939 ein AP-Foto des jüdischen New Yorker Bürgermeisters Fiorello LaGuardia, und zwar beim Essen mit den Fingern.

Zur gleichen Zeit war es verboten, "Mitglieder der Reichsregierung an gedeckten Tischen, vor Flaschenbatterien u.ä. zu zeigen", denn "die Minister nehmen aus internationaler Höflichkeit oder aus streng dienstlichem Anlass an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, die sie lediglich als Pflicht, nicht als Genuss auffassen", wie es in der Verordnung des Propagandaministeriums hieß.

Scharnbergs Studie hat nicht nur ein Echo in Guardian, New York Times und anderen Medien gefunden, sondern am Mittwoch auch AP zu einer kurzen Stellungnahme veranlasst: Scharnbergs Forschung beschreibe "Einzelpersonen und deren Handlungen vor und während des Kriegs, die AP nicht bekannt waren, mit dem Ergebnis, dass AP Dokumente und anderes Material in und außerhalb der Firmenarchive von AP in den Vereinigten Staaten und außerhalb prüft, um zu einem besseren Verständnis dieser Periode zu gelangen".

Diese Schmallippigkeit hat ihren Grund: Seit 2012 unterhält Associated Press als erste westliche Agentur ein Büro in Nordkorea. Der Guardian vermutet dahinter Absprachen, die dazu führten, dass AP aus Pjöngjang weder über die nordkoreanische Hungerkrise von 2012 noch über das Verschwinden von Staatschef Kim Jong-un aus der Öffentlichkeit 2014 berichtete. Nachrichten aus und über Diktaturen bleiben heiße Ware.

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