Süddeutsche Zeitung

Prokopis Pavlopoulos:Griechischer Staatspräsident greift Türkei in Flüchtlingskrise an

  • Im Interview mit der SZ beschuldigt Griechenlands Staatspräsident Pavlopoulos die türkischen Behörden, mit Schleppern zusammenuzarbeiten.
  • Athen werde seinen Teil der Ankara zugesagten Finanzhilfen erst bezahlen, wenn die Türkei die Zahl der Flüchtlinge reduziert hat.
  • In der Flüchtlingskrise stellt sich Pavlopoulos hinter Merkel.
  • An den Reparationsforderungen gegen Deutschland hält er allerdings fest.

Von Mike Szymanski

Griechenland macht der Türkei in der Flüchtlingskrise schwere Vorwürfe. Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos beschuldigt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung das EU-Partnerland, mit Schleusern gemeinsame Sache zu machen und damit die Anstrengungen der Europäischen Union zur Reduzierung der Flüchtlinge zu hintertreiben: "Ich hege die starke Befürchtung, dass die türkischen Menschenschmuggler Unterstützung von den Behörden bekommen. Vor allem die Hafenbehörden tun so, als ob sie nichts mitbekämen", sagte Pavlopoulos. "Wir haben Beweise dafür." Er nannte das Geschäft der Menschenhändler "eine Art Sklavenhandel".

An diesem Montag reist der griechische Staatspräsident nach Berlin. Dort wird er von Bundespräsident Joachim Gauck empfangen. Ein Treffen mit Kanzlerin Merkel ist ebenfalls geplant. In Merkels Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise spielt die Türkei eine Schlüsselrolle. Auf europäischer Ebene hat sich die Kanzlerin dafür eingesetzt, dass die EU Ankara weit entgegen kommt. Als Gegenleistung dafür, dass die Türkei die Grenzen besser sichert, soll das Land drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe erhalten und die Beitrittsgespräche mit der EU sollen vertieft werden.

Griechenland will seinen Anteil an dieser Summe aber erst dann zahlen, wenn die Türkei die Zahl der Flüchtlinge reduziert hat. Pavlopoulos sagte: "Griechenland wird all seine Verpflichtungen erfüllen, wenn die Türkei ihre Verpflichtungen erfüllt hat. Bislang hat die Türkei nicht geliefert." Beim eigenen Einsatz zur Bewältigung der Krise sieht er sein Land auf einem guten Weg. Mit den lange geforderten "Hotspots" auf den Inseln zur Registrierung der Flüchtlinge und neuen Unterkünften sei sein Land fertig. Weil Griechenland lange Zeit mit der Zahl an Flüchtlingen überfordert war und es zu Verzögerungen kam, hatte die EU Griechenland wiederholt scharf kritisiert. Auch ein Ausschluss aus dem Schengen-Raum war diskutiert worden, sollte das Land seine Grenzsicherung nicht in den Griff bekommen.

Pavlopolous über Merkel: "Ihr Kurs ist tapfer"

Für Merkels offene Flüchtlingspolitik findet der Staatspräsident viel Lob. "Ich glaube, dass sie mit ihren Entscheidungen Deutschland und Europa viel gegeben hat und sie so weitermachen sollte", sagte Pavlopoulos. "Ihr Kurs ist tapfer. Dies impliziert natürlich einen hohen politischen Preis." Die Flüchtlingskrise habe in Europa deutlich gemacht, dass nicht die Währung im Mittelpunkt stehen sollte, sondern der Mensch. "Wir begreifen, dass diese Mentalität die echten Europäer ausmacht." Das deutsch-griechische Verhältnis habe sich nach Monaten des heftigen Streits um die Griechenland-Rettung wieder verbessert.

Die Forderung an Deutschland, für Verbrechen in der Nazi-Zeit Reparationen zu zahlen, hält er dennoch aufrecht. Von mindestens elf Milliarden Euro ist in Athen die Rede. "Unsere Forderungen sind nicht erloschen", sagte Pavlopoulos. "Wir Griechen haben weder auf den Zwangskredit noch auf die Reparationen verzichtet. Wir werden unsere Position einem dafür geeigneten internationalen Forum vortragen. Das könnte zum Beispiel der Internationalen Gerichtshof in Den Haag sein."

Pavlopoulos erinnerte die internationalen Kreditgeber daran, rasch nach der ersten Evaluierung des Rettungsprogramm in die Diskussion über eine Umschuldung einzusteigen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2016/leja
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