FDP: Programmdebatte:Liberal schon, aber nicht blöd

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Die FDP soll nicht länger herumdümpeln wie eine Arche Noah für Manchester-Kapitalisten. Mit einem neuen Programm will Generalsekretär Lindner den Wirtschaftsliberalismus entradikalisieren. Die Programmdebatte soll der FDP das wiedergeben, was der Parteichef ihr nicht geben kann.

Heribert Prantl

Die FDP erlebt nicht zum ersten Mal eine Welle der öffentlichen Abneigung, der Missachtung und Verachtung. So ähnlich wie heute war das schon vor gut 15 Jahren. Damals gab jeder Esel der FDP einen Tritt, und es gab kaum einen Satz über die FDP ohne eine höhnische Bemerkung. Zu den Mitteln, mit denen sich damals die Partei aus Tristesse und Gefahr befreite, gehörte ein neues Grundsatzprogramm. Mit diesem Mittel will es die FDP heute wieder versuchen.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner (li.) und Parteichef Guido Westerwelle. Die Programmdebatte soll der Partei das wiedergeben, was der Parteichef ihr nicht geben kann - ohne aber eine Revolte gegen ihn zu starten: liberale Breite und intellektuellen Anspruch. (Foto: dpa)

Damals, es ist politische Lichtjahre her, wurde das neue Programm vom damaligen FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle vorgestellt, als handele es sich um das Manifest eines neuen Zeitalters: Der Markt übernahm in diesem Programm die Rolle des höheren Wesens, und die einzelnen Abschnitte waren eine hymnische Ausschmückung des Satzes, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Mit dieser politischen Litanei machte dann die FDP in vielen Oppositionsjahren ihr Glück.

Zuletzt aber führte das sture Festhalten an einer solchen Politik die Regierungspartei FDP ins Verderben. Es ist daher überlebenswichtig für die FDP, ihren programmatischen Horizont neu zu vermessen. Die anderen Parteien haben das getan. Das FDP-Programm aber hat immer noch keine Ahnung von Finanzkrisen, Klimakatastrophen und weltweitem Terrorismus. Im geltenden FDP-Programm überwintert noch die Ära Kohl.

Der neue FDP-Generalsekretär Christian Lindner will die Partei nun in einen neuen Frühling führen: mit einem neuen Programm, das den Wirtschaftsliberalismus entradikalisieren und die Partei mitfühlender machen soll. Die FDP soll nicht länger herumdümpeln wie eine Arche Noah für Manchester-Kapitalisten. Lindners Initiative soll bedeuten: Liberal sind wir schon, aber nicht blöd.

Die Programmdebatte soll der Partei das wiedergeben, was der Parteivorsitzende Guido Westerwelle ihr nicht geben kann - ohne aber eine Revolte gegen ihn zu starten: liberale Breite und intellektuellen Anspruch. Die Programmdebatte (und es ist eine gute Zeit dafür, weil die nächsten Landtagswahlen erst im März anstehen) kann die Fixierung der Partei auf Westerwelle und dessen erbarmungslose Allgegenwart beenden.

Die FDP kann dabei den Beweis antreten, dass sie noch ist, worauf sich ihre Wähler früher etwas zugute hielten: eine kluge Partei.

Die FDP muss Freiheit und Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit neu definieren, sie muss Überlegungen dazu anstellen, wie die Entfremdung von Politik und Gesellschaft zu beenden ist. Sie muss sich selbst und den Liberalismus aus dem wirtschaftsliberalen Gefängnis befreien. Dann gibt es noch eine Chance für die FDP.

Man mag zwar bisweilen den Eindruck haben, dass Grundsatzprogramme so heißen, weil sie grundsätzlich keiner liest. Das Entwickeln und Schreiben eines Grundsatzprogramms kann aber eine Partei von Grund auf verändern; die FDP braucht ein Godesberg-Erlebnis.

© SZ vom 29.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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