Profite der Ölkonzerne:"Reine Umverteilung von Menschen zu Energiekonzernen"

Profite der Ölkonzerne: Sollten die Mineralölkonzerne eine Extrasteuer für ihre Gewinne seit Beginn der Krise zahlen? Tankstelle in Frankfurt.

Sollten die Mineralölkonzerne eine Extrasteuer für ihre Gewinne seit Beginn der Krise zahlen? Tankstelle in Frankfurt.

(Foto: Michael Probst/AP)

Die FDP will die Diskussion über die Übergewinnsteuer für beendet erklären. Doch die Grünen, mehrere Bundesländer und einige Volkswirte fordern weiterhin die Extrasteuer für Unternehmen, die von der Krise profitieren - und auch europaweit ist die Debatte in vollem Gange.

Von Björn Finke

Bundesfinanzminister Christian Lindner dürfte derzeit hoffen, dass mit dem Vorstoß beim Kartellrecht die Debatte über eine Übergewinnsteuer vom Tisch ist. Denn so eine Extrasteuer für Unternehmen, die von der Krise profitieren - zum Beispiel Öl- und Stromkonzerne -, "würde unser Steuerrecht der Willkür und den politischen Stimmungsschwankungen ausliefern", warnt der FDP-Politiker. Doch die Grünen, Koalitionspartner von FDP und SPD im Bund, würden wohl weiterhin solch eine Steuer gerne einführen. In diese Richtung äußert sich etwa die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang.

Zudem wollen die Regierungen der drei Länder Bremen, Berlin und Thüringen erreichen, dass der Bundesrat die Bundesregierung bittet, einen Vorschlag für die befristete Erhebung einer derartigen Steuer für das Jahr 2022 vorzulegen. Die Einnahmen sollen staatliche Entlastungsprogramme finanzieren. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagt, einige Konzerne "verdienen sich einfach deshalb eine goldene Nase, weil sie die aktuelle Lage schamlos ausnutzen".

Die EU-Kommission hat schon Leitlinien erlassen, wie eine solche Abgabe aussehen könnte

Manche Volkswirte unterstützen diese Forderungen. So schlägt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, "eine Übergewinnsteuer auf die Umsätze der Energielieferanten" vor, "denn dies sind leistungslose Gewinne, die eine reine Umverteilung von Menschen zu Energiekonzernen bedeuten". Um welch gigantische Summen es geht, haben Wissenschaftler des Netzwerks Steuergerechtigkeit berechnet, einer Organisation, die für faire Besteuerung kämpft. In einer Studie beziffern sie die zusätzlichen Profite der Öl- und Gasbranche in diesem Jahr auf global bis zu 1600 Milliarden Euro. Diese enorme Summe entspricht ungefähr der Wirtschaftsleistung Russlands im vorigen Jahr.

Die Autoren haben dafür den weltweiten Öl- und Gasverbrauch 2021 als Basis genommen und berechnet, wie viel Mehreinnahmen die Preissteigerungen seit Kriegsbeginn im Februar bedeuten. Beim Öl ergeben sich auf diese Weise 590 Milliarden Euro, beim Gas sind es 1000 Milliarden Euro. Die Fachleute weisen jedoch darauf hin, dass dies Höchstbeträge sind und die echten Extragewinne kleiner sein werden. Schließlich gibt es für Gas auch langfristige Lieferverträge mit fixen Preisen, und in ihren Heimatländern, etwa Russland, verkaufen die Förderkonzerne Öl und Gas nicht zum hohen Weltmarktpreis, sondern billiger.

Trotzdem heizen solche Zahlen die Debatten um Extrasteuern auf diese Gewinne an. Die EU-Kommission in Brüssel hat im März schon Leitlinien veröffentlicht, wie Regierungen solche Abgaben gestalten können, um Profite von Energiekonzernen einzuziehen und in Form von Hilfen an Verbraucher umzuverteilen. Die Behörde will vermeiden, dass diese Steuern den Markt verzerren.

Unterstützung kommt auch vom Europaparlament, das sich im Mai in einem Beschluss für solche Steuern aussprach. Einige Mitgliedstaaten haben bereits Fakten geschaffen: So hat Italien eine derartige Steuer für Strom-, Öl- und Gasanbieter bereits eingeführt. Ist deren Umsatz zuletzt um mehr als zehn Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, schöpft die Regierung zehn Prozent dieser Extra-Einnahmen ab. Der Geldsegen soll Hilfen für Verbraucher finanzieren.

Griechenland plant einen drakonischen Steuersatz von 90 Prozent

Rumänien erhebt eine ähnliche Steuer, auch Griechenland plant so etwas, und zwar mit einem drakonischen Steuersatz von 90 Prozent. Wie in Italien soll dies die Unterstützung für Verbraucher finanzieren. Die britische Regierung verkündete Ende Mai, eine Sondersteuer von 25 Prozent zu etablieren. Spanien hat seine Pläne für diese Art Steuern hingegen vorerst auf Eis gelegt.

Allerdings ist das Abschöpfen der riesigen globalen Profite gar nicht so einfach - darauf weist die Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit hin: Die Öl- und Gaskonzerne versteuerten den Großteil ihrer Gewinne in den Förderländern, auf die Europäische Union und Deutschland entfielen nur wenig zu versteuernde Gewinne, heißt es da.

Auf den ersten Blick könnte die Jahrhundertreform der Unternehmensbesteuerung Abhilfe schaffen, auf die sich 137 Länder im Herbst bei der Industrieländer-Organisation OECD geeinigt haben. Die Vereinbarung gewährt Ländern, in denen nur Kunden, aber keine großen Standorte von Unternehmen sitzen, mehr Besteuerungsrechte für den Gewinn dieser Konzerne. Das zielt vor allem auf Internetunternehmen wie Amazon und Google ab, die bislang kaum Steuern in Europa zahlen. Theoretisch würden aber auch Öl- und Gaskonzerne gut in dieses Schema passen. Dummerweise sind jedoch Rohstoffkonzerne explizit von dieser Reform ausgenommen.

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