Süddeutsche Zeitung

Profil:Yuli Edelstein

Parlamentssprecher und möglicher Rivale von Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Die Unterstützung von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hatte Yuli Edelstein nicht. Dennoch - manche meinen: gerade deshalb - ist der 60-Jährige bei den Vorwahlen des Likud auf Platz zwei hinter Netanjahu gewählt worden. Der Sprecher der Knesset genießt damit die größte Unterstützung der Mitglieder der rechtsnationalen Partei, die laut Umfragen derzeit die besten Chancen hat, die Parlamentswahl am 9. April zu gewinnen. Edelstein könnte auch Anspruch auf den Posten des Regierungschefs erheben, sollte Netanjahu, gegen den mehrere Ermittlungsverfahren laufen, doch noch wegen Korruption angeklagt werden.

Bleibt Netanjahu im Amt, kann Edelstein das Votum nutzen, um weiter Sprecher der Knesset, des israelischen Parlaments, zu bleiben. Edelstein befürchtet wegen wiederholter Konflikte mit Netanjahu, dass ihn der Parteichef von dieser prestigeträchtigen Position entfernt - wie er dies 2013 mit dem jetzigen Staatspräsidenten Reuven Rivlin gemacht hat.

Die Rivalität zwischen Edelstein und Netanjahu, 69, wurde rund um die Feier zum 70. Jahrestag der Staatsgründung 2018 öffentlich, als beide die zentrale Rede halten wollten. Edelstein drohte damals mit einem Boykott der Zeremonie durch die 120 Abgeordneten des Parlaments. Nicht zum ersten Mal hat Edelstein damit gezeigt, dass er ein großes Ego hat. Seine Auftritte wirken staatsmännisch,und er weiß sich zu inszenieren. Ob er auch das Format zum Regierungschef hätte, bezweifeln manche.

Der Likud ist die dritte Partei, der Edelstein angehört. Er war Mitglied der Nationalreligiösen und dann bei Israel BaAliya, der Partei der russischen Einwanderer. Edelstein, in Czernowitz in der heutigen Ukraine geboren, kam 1987 nach Israel. Zehn Jahre zuvor hatte er, noch als Student am Institut für Fremdsprachen in Moskau, einen Ausreiseantrag gestellt. Edelsteins Eltern waren zum Christentum konvertiert, sein Vater Yuri wurde sogar orthodoxer Priester. Sein Großvater brachte ihm Hebräisch bei. Edelstein arbeitete in der Sowjetunion im Untergrund in zionistischen Zirkeln.

1984 wurde er vom Geheimdienst KGB unter der - laut Edelstein falschen - Anschuldigung verhaftet, Drogen zu besitzen. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt und verbrachte diese Zeit in zwei Gulags in Sibirien, wo er sich schwere Knochenbrüche zuzog. Prominente Israelis und seine Frau Tania kämpften für seine Freilassung.

Als das Ehepaar Edelstein mit seinen zwei Kindern nach Israel ausreisen durfte, ließ sich die Familie im Siedlungsblock Gush Etzion im besetzten Westjordanland nahe Jerusalem nieder. Drei Jahre lang, von 1996 bis 1999, gehörte Edelstein als Einwanderungsminister der ersten Regierung Netanjahu an. Zwischen 2009 und 2013 war er Minister für Information und Diasporaangelegenheiten. Seit 2013 fungiert er als Sprecher der Knesset.

Politisch hat Edelstein immer klar rechte Positionen vertreten: für den Siedlungsbau und gegen den Abzug von den von Israel annektierten Golanhöhen. Umso mehr überraschte Edelstein 2016 mit seiner auch öffentlich verbreiteten Liebesgeschichte. Zwei Jahre nach dem Krebstod seiner Frau Tania verliebte sich der religiöse Witwer in eine säkular lebende geschiedene Frau, die 20 Jahre jünger ist. 25 Mal habe er um die Hand von Irina Nevzlin angehalten, ehe sie "Ja" gesagt habe, erzählte er später.

Nevzlin war 2006 nach Israel ausgewandert, nachdem ihr Vater - der durch Ölgeschäfte reich gewordene Oligarch Leonid Nevzlin - in Russland in Ungnade gefallen war. Seiner Frau, die eine Führungsposition im Diaspora Museum in Tel Aviv innehat, und ihren beiden schulpflichtigen Kindern zuliebe verließ Edelstein sein Haus in Gush Etzion und zog in ihre Villa in Herzliya Pituach. Bei der Hochzeit vor zwei Jahren war auch Netanjahu zugegen - damals war das Verhältnis zwischen den beiden noch gut.

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SZ vom 11.02.2019
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