Profil:Wang Huning

Chefideologe der KP China und überraschend Redner bei der "Weltinternetkonferenz".

Von Kai Strittmatter

China's Politburo Standing Committee member Wang Huning attends the opening ceremony of the fourth World Internet Conference in Wuzhen
(Foto: Aly Song/Reuters)

Da saßen sie am Sonntagvormittag mitten in der chinesischen Provinz und lauschten einander: Tim Cook, Chef des amerikanischen Konzerns Apple. Und Wang Huning, Chefideologe der Kommunistischen Partei Chinas, und seit seiner Wahl in den Ständigen Ausschuss des Politbüros im vergangenen Monat auch einer ihrer mächtigsten Vertreter. Zwei Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, aber es hatte seine Logik, dass die beiden jetzt in der Stadt Wuzhen in einem Saal waren. Hier der Apple-Chef, dessen Unternehmen vom freien Zugang zu Technologien und Informationen lebt, aber zunehmend auch vom Zugang zum Riesenmarkt China. Dort der Ideologe jener KP, die dafür gesorgt hat, dass dieser Markt erstens boomt, und dass China zweitens aber von der NGO "Freedom House" nun schon im dritten Jahr in Folge zum weltweit "schlimmsten Verletzer der Internetfreiheit" gekürt wurde.

Wang Huning, 62, ist das interessanteste der neuen Politbüromitglieder, ein ehemaliger Hochschullehrer, kein Technokrat. Gleichzeitig war er bislang schwer zu fassen: Wang wirkte die vergangenen Jahre im Hintergrund. Er flüsterte schon den beiden Vorgängern von Parteichef Xi Jinping ihre politischen Schlagworte ein, nun ist er der Mann hinter Xis "Neuer Ära des Sozialismus chinesischer Prägung". Vor allem arbeitet Wang seit vielen Jahren daran, den theoretischen Unterbau zu liefern für Chinas Wiederaufstieg in der Welt.

Wang hat oft die USA bereist, ihnen einige Bücher gewidmet, er sah den Westen stets mit kritischen Augen. Schon als junger Professor in Shanghai in den späten 1980er-Jahren warb er für einen starken, autoritären Staat, der China wirtschaftlich in die Weltspitze katapultieren sollte, irgendwann vielleicht an den USA vorbei. Wang wurde der bekannteste Vertreter der "Neoautoritären", und als solcher bald vom Parteiapparat willkommen geheißen.

Dass ausgerechnet er nun der Hauptredner war bei der von China erfundenen "Weltinternetkonferenz", ist kein Zufall: Die Konferenz in Wuzhen dient der KP dazu, für ihr Modell zu werben, in welchem das Netz von Zensur und Propaganda beherrscht wird. Parteichef Xi Jinping nennt das "Internet-Souveranität". China, sagt Huning, "steht bereit, neue Regeln und Standards zu entwickeln" für die Verwaltung des globalen Netzes.

Wang sprach von "Offenheit" und "Innovation", dass aber seine Rede am Ende in die Begriffe "Kontrolle" und "Sicherheit" mündete, wird auch dem illustren Publikum nicht entgangen sein, in dem zur Genugtuung der chinesischen Veranstalter nicht nur Apples Tim Cook saß, sondern auch die Chefs von Google und Cisco sowie Vertreter vieler anderer einflussreicher US-Konzerne. Den Gästen wird besonders dieser Satz von Wang gefallen haben: "Lasst uns den Kuchen der digitalen Wirtschaft größer machen." Es ist schließlich der Duft dieses Kuchens, der sie alle nach China lockt.

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