Profil:Volker Kutscher

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(Foto: Oliver Berg/picture alliance/dpa)

Autor, ohne den es "Babylon Berlin" nicht gäbe.

Von Claudia Tieschky

"So groß hast du dir das nicht vorgestellt", dachte der Kölner Schriftsteller Volker Kutscher, als er im September 2016 die Dreharbeiten zur ersten Staffel der Serie "Babylon Berlin" besuchte. Da könnte man ein Fremdeln heraushören bei dem Mann, der die Hauptfiguren Charlotte Ritter und Gereon Rath geschaffen hat - in inzwischen sieben Kriminalromanen aus dem Berlin der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Aber nein, in Kutschers Beschreibung vom Filmset in dem opulenten Begleitband zu "Babylon Berlin" bedeutet "so groß" eindeutig hingerissenes Staunen darüber, wie sein Romanstoff aus "Der nasse Fisch" in Szene gesetzt wird.

Mit dem Blick des Reporters, der er früher war, registriert er, dass die 150 historisch kostümierten Statisten wirken wie aus einer "riesigen Zeitmaschine gefallen", wenn sie auf dem Weg zur Szene an der roten Ampel warten; dass tatsächlich künstliche Achselhaare angeklebt werden und jedes Streichholzbriefchen stimmig ist. In einem magischen Moment stellt er fest, dass die Schauspielerin Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter genau so ist, wie er sich seine Figur immer dachte. "Du siehst Charly", notiert er etwas bewegt.

Diesen Freitag startet nun bei Sky die neue Staffel "Babylon Berlin" nach dem zweiten Rath-Krimi "Der stumme Tod". Sie spielt, als wäre es ein Wink, im Filmmilieu. Die Drehbücher wurden wieder von den Serienschöpfern Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries geschrieben - "nach dem Roman" von Kutscher, wie es im Vorspann heißt. Die Rechte an mehr Stoff von Kutscher hat sich die Produktion bereits gesichert. Romanvorlage, das klingt so simpel. Man könnte auch sagen, Kutscher ist in einen Zirkus geraten. Der 57-Jährige, der schon vor "Babylon Berlin" zum Bestsellerautor im Literaturbetrieb wurde, ist in einer Branche gelandet, die noch viel verrückter ist. Und in der es, wenn Fantasien entstehen, manchmal etwas größer zugeht als beim Schreiben. Besonders, wenn es sich um das Prestigeprojekt handelt, mit dem die deutsche Filmbranche bewiesen hat, dass sie es aufnehmen kann mit Serien von Auftraggebern wie HBO oder Netflix. "Schreiben ist harte Arbeit, begleitet von stetigen Selbstzweifeln", bekennt Kutscher. "Die hören erst auf, wenn man die Story einmal bis zum Ende durcherzählt hat, und das dauert bei einem Roman ziemlich lang." Studiert hat Kutscher Germanistik, Philosophie und Geschichte, er schrieb Regionalkrimis neben dem Beruf als Journalist. Die Festanstellung bei der Kölnischen Rundschau kündigte er 2004, um Zeit für seine historische Krimi-Reihe zu haben. Ein wagemutiger Schritt, aber seit etwa zehn Jahren kann er tatsächlich vom Romanschreiben leben. Fragen beantwortet er aus Zeitgründen nur schriftlich, er arbeitet an einem neuen Rath, der vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele 1936 spielt. Sein Schreibton ist gelegentlich härter und cooler, als es die Fernsehserie vermuten lässt, mehr als Dashiell Hammett oder Raymond Chandler aber hat er Erich Kästner als Vorbild im Kopf. Wenn man Kutscher fragt, ob sich durch "Babylon Berlin" etwas in seinem Leben verändert habe, lautet die lakonische Antwort "nein".

Immerhin ist die New York Times auf ihn aufmerksam geworden, beobachtete ihn bei der Recherche - etwa in Mikrofilmen der Vossischen Zeitung und des Berliner Tageblatts - und nannte ihn "den Mann, der Weimar zum Gesprächsstoff in Deutschland machte". Aber warum ist das so? Warum ist das Publikum so von der Weimarer Zeit gebannt? Keine Ahnung, meint Kutscher. Ihn habe diese Zeit schon immer fasziniert, seit er als Achtjähriger Kästner las. "Und dann hat mich das tragische Ende der Zwanziger immer beschäftigt: Warum musste diese hoffnungsvolle Epoche mit dem Dritten Reich enden?" Da kann es beim Film so groß zugehen, wie es will, die Geschichte der deutschen Demokratie und ihr Scheitern ist für den Krimiautor Kutscher die weit größere Sache.

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