Profil:Vince Cable

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(Foto: AFP)

Der Liberaldemokrat wollte den Brexit-Widerstand anführen. Er ist gescheitert.

Von Cathrin Kahlweit

Vergangenes Jahr in Bournemouth schien Vince Cable nicht zu stoppen zu sein. Er hatte seinen Sitz im Parlament kurz zuvor zurückerobert, war ohne Gegenkandidaten zum Parteichef gewählt worden - und hatte mit dem Brexit ein so perfektes Thema aufgelegt bekommen, wie es sich die Liberaldemokraten nur wünschen konnten: Die großen Parteien, Tories und Labour, gespalten und getrieben, die Lib Dems als einzige ohne Wenn und Aber gegen einen EU-Austritt. Was für eine Steilvorlage.

Wenn der Mann aus York, damals immerhin schon 74, in weißem Hemd und offenem Hemdkragen über gebräunter Brust beim Parteitag 2017 an der englischen Südküste vor die Mitglieder trat, dann erschallten zwar nicht, wie bei Labour-Chef Corbyn, Jubelgesänge auf den Anführer, aber es gab doch optimistischen Applaus: Wer, wenn nicht die Lib Dems mit Cable, sollte die Unterstützung all jener Briten gewinnen, die gegen den Brexit waren?

Ein Jahr später tagt die kleine Partei just dort, wo sich vergangenes Jahr die Konkurrenz der Labour-Partei zum Parteitag getroffen hatte: in Brighton. Und Cable ist mit dem Image des Verlierers angereist. Die Partei kann in den Umfragen nicht zulegen, dem Brexit-Chaos bei den Tories und dem Antisemitismus-Streit bei Labour zum Trotz. Steilvorlage versemmelt. Wie konnte das passieren?

Gerade mal zehn Prozent würden heute für die Partei stimmen, die vielen Wählern immer noch als elitärer Klub linksliberaler Intellektueller gilt - und die bis heute darunter leidet, dass die Lib Dems 2010 eine Koalition mit den Tories eingegangen waren. Nach wie vor gelten die Liberalen als mitverantwortlich für die brutale Sparpolitik der vergangenen Jahre. Ökonom Vince Cable, einst bekannt als finanzpolitisch versierter Kopf und Bankenkritiker, der die Finanzkrise vorhergesagt hatte, war Wirtschaftsminister gewesen, bis die Koalition am Brexit-Referendum und Camerons Rücktritt zerbrach. Cable selbst sieht darin auch den Grund für die aktuelle Schwäche: "Wir starten von einer niedrigen Basis nach den enttäuschenden Wahlen von 2015 und 2017. Das rührt von dem Schaden her, den die Koalition angerichtet hat: Was gut war für das Land, war schlecht für die Partei."

Nach der Amtsübernahme von Theresa May gab es einen neuen, klaren Feind: die Tories, die den Brexit wollten, aber nicht hinbekamen. Die Lib Dems paktierten mit den Brexit-Gegnern bei Labour. Nur: Als es dann mal wirklich darauf ankam und das Parlament darüber abstimmen sollte, ob May mit Brüssel über einen Verbleib in der Zollunion verhandeln müsse, da schwänzten Cable und ein Parteifreund die Sitzung. Und die Abstimmung ging knapp verloren.

Von dieser Peinlichkeit hat sich der mittlerweile 75-jährige, seit 1988 Parteimitglied, nie erholt. Kurze Zeit später kündigte er an, er werde als Parteichef zurücktreten, wenn der Brexit abgewendet sei. Vorher aber will er die Partei noch öffnen - und zu jener neuen Bewegung machen, die nun die Brexit-Gegner aller Seiten versammeln soll.

Auf dem Parteitag in Brighton sollen die Statuten so geändert werden, dass auch Nicht-Mitglieder über den Kurs und den nächsten Parteichef mitentscheiden können. Cable argumentiert, viele Briten teilten die Werte der Liberalen, aber wegen des Mehrheitswahlrechts wählten sie eher die Großen. "Wir müssen der neuen Bewegung einen politischen Arm im Parlament zur Verfügung stellen", sagte er wenige Tage vor dem Parteitag. Sein Ziel: "A movement for moderates" - eine Bewegung für die Moderaten.

Der Noch-Vorsitzende findet, die Partei müsse sich neu erfinden. Die Delegierten sind skeptisch. Viele kritisieren, die Parteispitze sei ohnehin schon zu moderat, zu brav, zu wenig radikal - und Cable sei nicht der Mann für den Neuanfang. Zu alt, als Ex-Koalitionär abgestempelt. Sein großer Auftritt am Dienstag könnte sein letzter sein.

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