Profil:Torsten Albig

Lesezeit: 2 min

Ministerpräsident in Kiel, wettert lautstark gegen Abschiebungen: Torsten Albig. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Der Ministerpräsident in Kiel wettert lautstark gegen Abschiebungen.

Von Thomas Hahn

Am Tag nach seiner vehementen Verteidigungsrede zum Abschiebestopp nach Afghanistan versank Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig wieder in den weniger umstrittenen Themen des Nordens. Im Landtag verfolgte er still Debatten über Waldkindergärten und E-Mobilität, am Abend besuchte er das Kieler Entenrennen. Wieder mal konnten seine Beobachter erleben, wie wohl er sich fühlt in seiner Rolle als duldsamer Landesvater, der lieber ausgleicht als auf den Putz haut.

Aber der SPD-Mann und Wahlkämpfer Torsten Albig, 53, wird es schon auch genossen haben, dass ihm seine geharnischte Kritik an der Abschiebepolitik der Bundesregierung Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus gebracht hat. So laut wie sein Schleswig-Holstein richtet sich kein anderes Bundesland gegen die Sichtweise des Bundes, dass es sich bei Afghanistan um ein in Teilen sicheres Herkunftsland handle; dass Flüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr haben, umstandlos dorthin zurückgeschickt werden könnten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière war richtig sauer auf Albig, weil er dessen Abschiebestopp als Affront gegen Absprachen zwischen Bund und Ländern sieht. Albig antwortete im Landtag: "Sie sehen mich enttäuscht von der Position der Bundesregierung in Gänze." Sein Argument: "Humanitäre Verantwortung".

Albig steht nun da wie die mutige Gegenfigur zu einer Politik, die populistische Tendenzen in der Gesellschaft mit strafferen Gesetzen entschärfen will. Flüchtlingshelfer und Menschenrechts-Aktivisten sind angetan. Andere fragen sich, ob man nicht etwas leiser gegen die Abschiebungen sein müsste. Länder wie Bremen oder Niedersachsen, die das Vorgehen des Bundes ähnlich kritisch sehen wie Albig, belassen es zum Beispiel beim Bekenntnis zur Einzelfallprüfung. Und konservative Kräfte sind natürlich empört über Albig: Sie wittern Verrat an Recht und Ordnung.

Aber Albigs Position passt zu einer Kampagne der SPD in Schleswig-Holstein, die sich abheben will vom Ton anderer Wahlkämpfe in anderen Ländern. Die AfD ist schwach in Schleswig-Holstein. Und die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW gefällt sich als ein verschworenes Linksbündnis, das Menschenrechte mit norddeutscher Freundlichkeit pflegt.

Torsten Albig war Sprecher von Peer Steinbrück, als dieser Bundesfinanzminister war, auch sonst gilt er eigentlich nicht als linker SPD-Hardliner. Im Vergleich zu Ralf Stegner, dem Fraktions- und Landespartei-Vorsitzenden, wirkt er brav. Und doch steht Albig gerade für einen sozialdemokratischen Zungenschlag, der Haltung vor Strenge und Vertrauen vor Zukunftsangst stellt. Als "Projekt der Gerechtigkeit" hat Torsten Albig die Arbeit seines Kabinetts bezeichnet. "Wir wollen Schleswig-Holstein zu einer sozialen, ökonomischen, ökologischen Modellregion machen." Seine Flüchtlingspolitik will er in diesem Sinne verstanden wissen.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: