Profil:Thomas Sternberg

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Thomas Sternberg, neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

(Foto: Caroline Seidel/dpa)

Neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Von Matthias Drobinski

Heimat, das ist für Thomas Sternberg der Geruch von frisch gebackenem Brot. Seine Eltern hatten eine Bäckerei in Grevenbrück im Sauerland, und wäre das Leben gelaufen wie geplant, wäre Sternberg heute ein sauerländischer Bäckermeister; Geselle war er schon. Dass er der Backstube Lebewohl sagte, lag nicht an irgendwelchen Sehnsüchten nach der weiten Welt, sondern an seinem Körper. Der vertrug das Bäckerleben nicht.

Sternberg musste umschulen. Er machte Abitur, studierte Germanistik, Kunstgeschichte, katholische Theologie, promovierte gleich zweimal. Und weil das damals in einer so katholischen Familie nahelag, trat er 1974 in die CDU ein. Das brachte ihn 2005 in den nordrhein-westfälischen Landtag, wo er nun kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Die Theologie wiederum brachte ihn an die Spitze der katholisch-sozialen Akademie in Münster - und am Freitag ins Präsidentenamt des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), als Nachfolger von Alois Glück.

Zentralkomitee - das hört sich zwar an wie ein Relikt aus der DDR, doch gehört das ZdK zu den größten Dachverbänden der Republik; es vereint die katholischen Verbände und Diözesanräte, zusammen 24 Millionen Gläubige, in der Kirche "Laien" genannt. Sie sollen die katholischen Anliegen in Gesellschaft und Politik tragen. Doch kommt gerade aus den Reihen des ZdK seit einigen Jahren die entgegengesetzte Forderung: Die Kirche möge sich mehr der Welt öffnen. Nach 2010, als zahlreiche Fälle sexueller Gewalt in der Kirche öffentlich wurden, war es Alois Glück, der deren tiefer gehende Probleme ansprach - zum Ärger einiger Bischöfe.

Dass nun Sternberg sein Nachfolger wird, ist eine Überraschung. Als Favoritin galt Maria Flachsbarth, die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, mit 52 Jahren jünger als der 63 Jahre alte Sternberg, unterstützt zudem von den starken Frauenverbänden. Aber manchem der 220 Delegierten war Flachsbarth doch zu sehr in den Regierungsbetrieb eingebunden. Und dann überzeugten das Profil und die Vorstellung des fünffachen Vaters aus Münster mehr als der Wunsch, mit einer Frau an der Spitze die Bedeutung der Frauen in der Kirche zu demonstrieren.

Thomas Sternberg hat als Akademiedirektor und in einer Reihe von Fachaufsätzen ein Bild vom Gottesvolk entwickelt, das offenbar im ZdK geteilt wird. Die katholische Kirche ist für ihn auf dem Weg in die Minderheit, und in vielen Gegenden ist sie es schon. Sie hat das nicht zu beklagen. Sie hat sich darauf einzustellen, in einer Welt zunehmender Religionsskepsis und Indifferenz zu leben. Sie hat den Dialog zu suchen, mit den evangelischen Mitchristen, mit Muslimen und Juden, mit Säkularen und Atheisten. Sie muss in diesem Dialog ihre Anliegen vertreten - Sternberg nannte in seiner Vorstellung die Menschenwürde, den Schutz des Lebens und der Flüchtlinge. Dazu braucht es überzeugte Christen, die in der Welt ihren Platz haben. Und eine Kirche, in der nicht nur die Bischöfe das Sagen haben, sondern auch das Kirchenvolk mitredet und mitbestimmt.

Deshalb müsse für ihn der Dialogprozess in der katholischen Kirche weitergehen, sagte er. Deshalb müsse sich auch die Arbeit im Zentralkomitee ändern: Weg von den vielen abstrakten Erklärungen, hin zu einer klaren Sprache, zur besseren Beteiligung der Mitglieder. Denn auch das ZdK hat an Bedeutung und Strahlkraft verloren. Alois Glück hat mit seinem politischen Gewicht, seinem Talent, das Richtige zu sagen, und seinem großen Einsatz überdeckt, dass es dem ZdK inzwischen schwerfällt, politisch, gesellschaftlich oder kulturell herausgehobene Katholiken zu bewegen, im Verbandskatholizismus mitzumachen.

"Wir müssen Sauerteig werden" hat Sternberg den Delegierten gesagt. Backstube und Theologie gehören eben doch zusammen.

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