Profil:Teresa Bellanova

Die Agrarministerin in Rom weiß, was Feldarbeit bedeutet.

Von Oliver Meiler

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(Foto: Filippo Monteforte/AFP)

Mit 14 Jahren arbeitete Teresa Bellanova schon auf den Gemüsefeldern im süditalienischen Apulien, ihrer Heimat. Sie sah Menschen sterben vor Müdigkeit, sie sah auch Menschen von überfüllten Bussen der Sklaventreiber fallen, der sogenannten "Caporali". Die Schule musste sie schon auf halbem Weg abbrechen, ein Studium war nicht drin. "Ich weiß, wo ich herkomme", sagt sie gerne. Und sie sagt es mit Stolz. Selten passte die frühe Biografie eines Politikers oder einer Politikerin so perfekt zu der Karriere als Erwachsene wie in ihrem Fall. Teresa Bellanova aus Ceglie Messapica, 61, Senatorin der sozialliberalen Kleinpartei Italia Viva, ist italienische Agrarministerin. Sie erlebt gerade die Erfüllung eines Lebenstraums, ein bisschen wenigstens.

Nach langem Kampf brachte Bellanova die Regierungskollegen von den Cinque Stelle dazu, ein Abkommen zu unterzeichnen: Hunderttausende Feldarbeiter, die zum großen Teil keine gültigen Papiere haben, sollen eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Zwar keine dauerhafte, aber immerhin. Sie erhalten Rechte und Schutz, sie tauchen aus dem Schatten auf. Viele von ihnen stammen aus Schwarzafrika, dem Staat gelten sie als "clandestini", weil sie illegal zugewandert sind. Gearbeitet haben sie aber immer schon - behandelt wie Sklaven, zu Hungerlöhnen. Sie leben in Ghettos ohne Wasser und Strom in Kalabrien, Apulien, aber auch im nördlicheren Teil des Landes. Ein Skandal, schon lange.

Bellanova war dieses Thema so wichtig, dass sie drohte, hinzuwerfen und notfalls die ganze Regierung ins Chaos zu stürzen. Dabei ist die "Legalisierung der Illegalen", wie man hier sagt, nicht nur eine humanitäre Geste. Italien braucht diese Arbeiter ganz dringend, weil es in Zeiten von Corona keine Saisonarbeiter aus Osteuropa und Nordafrika holen kann. Ohne die Afrikaner verfaulen die Ernten in den Orangenhainen und auf den Tomatenfeldern. Halb Europa ernährt sich davon.

Bellanova ist eine Pasionaria, keine Phrasendrescherin. Jedes Votum soll sitzen, es geht immer um alles oder nichts. "Red', wie du isst!", sagt sie zu Politikern, die sich hinter hölzernem Beamtenitalienisch verstecken. Als sie im vergangenen Spätsommer zur Vereidigung in den Quirinalspalast geladen wurde, zog sie ein knallblaues Rüschenkleid an, so wurde sie landesweit bekannt. Im Netz gab es böse, machohafte Kommentare: über ihr Kleid und über ihren etwas fülligen Körper. Doch so etwas stört sie nicht. "Ich war euphorisch, dieses elektrische Blau passte genau zu meinem Gemütszustand", sagte sie. "Und ihr habt mich noch nicht in Orange gesehen." Die meisten Herzen waren bei ihr, die Garderobe wurde zum Markenzeichen.

Die Hasser im Netz holten auch Bellanovas Lebenslauf hervor, aber sie steht nun mal zu ihrem Werdegang, vom Feld über die Barrikaden auf die große Bühne. Schon in jungen Jahren wurde sie Gewerkschafterin, die Ausbeutung der Feldarbeiter war ihr Thema. Sie brachte sich die Materie selbst bei, wurde Expertin, überall trat sie auf. Einmal auch in Casablanca, bei einem Ausflug des linken Gewerkschaftsbunds CGIL. Der marokkanische Dolmetscher, der ihre Reden übersetzte, wurde ihr Mann, die beiden haben einen 30-jährigen Sohn. Natürlich nährt dieser familiäre Hintergrund den Rassismus der rechten Hasser, auch jetzt wieder.

2006 wurde Bellanova zum ersten Mal ins Abgeordnetenhaus gewählt, dann zwei Mal bestätigt, nun steht sie schon in ihrem vierten Parlamentsmandat. Als Matteo Renzi im vergangenen Herbst mit den Sozialdemokraten des Partito Democratico brach und Italia Viva gründete, schlug sich Bellanova auf dessen Seite. Das hat viele überrascht, denn Bellanova kommt aus der kommunistischen Schule, und Renzi gilt den Linken als verkappter Bürgerlicher. "Ja, ich bin eine Linke, und ja, ich stehe zu Renzi", sagte sie. So deutlich ist Politik sonst nicht oft, so ganz ohne Rüschen.

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