Süddeutsche Zeitung

Sturm Harvey:Sylvester Turner - Houstons Fels in der Brandung

Der Bürgermeister der überfluten Millionenmetropole in Texas gibt den Menschen Hoffnung und widerlegt Gerüchte, die Panik auslösen könnten.

Von Sacha Batthyany, Washington

Die Wettervorhersagen für Houston sehen nicht gut aus, das Schlimmste, so ist zu hören, stehe noch bevor: Die Wasserpegel steigen, der Sturm Harvey soll sich in den Osten verschieben, aber Ende dieser Woche wiederkommen. Der Stadt stehe das Wasser zwar bis zum Hals, schreibt eine lokale Zeitung, der Bürgermeister aber wachse an den Herausforderungen - Sylvester Turner sei "ein Fels in der Brandung".

Turner, 62, ist im Moment vor allem damit beschäftigt, die Bürger Houstons zu informieren und inmitten aller Hiobsbotschaften auch zu beruhigen. So widerlegte er Gerüchte, wonach das Trinkwasser verschmutzt sei. Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung, die aus Angst vor einer Ausweisung die Polizei nicht um Hilfe rufen, sagt er: "Mir ist egal, woher ihr kommt und welchen Status ihr habt: Ich will nur, dass ihr am Leben bleibt."

Turner ist seit zwei Jahren im Amt, seine Entscheidung, die Stadt nicht evakuieren zu lassen, ist womöglich die wichtigste seiner politischen Karriere. Er hatte schon am Samstag darauf hingewiesen, dass es sehr viel Regen geben könnte, und er wies die Bewohner an, in den Häusern zu bleiben und sich mit Vorräten einzudecken. "Eine Evakuierung der Großstadt hätte mehrere Tage in Anspruch genommen", verteidigte er seine Entscheidung. Mehrere Millionen Menschen gleichzeitig aufzufordern, sich auf die Straße zu begeben, hätte im Chaos geendet.

Der Bauboom verschlimmert die Katastrophe

Trotz vereinzelter Kritik scheinen die Bewohner der texanischen Metropole ihrem Bürgermeister zu folgen. Houston ist eine der am schnellsten wachsenden Städte der USA. Vor allem aber ist es ein Ort ohne historisch gewachsenen Kern, eine Ansammlung verschiedener Vororte, die durch mehrspurige Autobahnen miteinander verbunden sind. Der Bauboom in den vergangenen Jahren war enorm. Wo das Wasser früher noch versickern konnte, ist heute alles zubetoniert, was sich nun als verhängnisvoll erweist: Es ist das dritte Hochwasser in den vergangenen Jahren. "Die Natur schlägt zurück", schreibt die Washington Post.

Turner selbst ist in einem solchen Betonvorort von Houston aufgewachsen, in Acres Homes, einem Schwarzenviertel, das nun von der Flut stark betroffen ist. Er war einer der ersten afroamerikanischen Schüler in einer ehemals weißen Schule und er hat nach seiner Wahl zum Bürgermeister versprochen, sich für die Infrastruktur einzusetzen, was beim Anblick der vielen kaputten Brücken und überfluteten Straßen nun allerdings wie Hohn wirkt.

Sylvester Turner hat sich schon vor Wochen gegen den Ausstieg Präsident Donald Trumps aus dem Pariser Klimaabkommen gestellt. Er kritisierte ebenso die Pläne des Präsidenten, die Krankenversicherung Obamacare zu zerschlagen. Im Vergleich zu Trump sei Turner ein unifier, jemand, der die Menschen zusammenbringe, lobt ihn die Zeitung Houston Chronicle. Diese Stadt braucht nun genau einen solchen Mann.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2017/jael
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