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(Foto: dpa)

Der weltverbessernde Rockstar wird in der Krise plötzlich lustig.

Von Andrian Kreye

Der Bassgitarrist, Sänger und Komponist Gordon Matthew Thomas Sumner, der vor gut 68 Jahren im englischen Northumberland geboren wurde, ist für vieles bekannt. Für seine Rockstarkarriere unter dem Künstlernamen Sting. Für die Songs seiner Postpunkband The Police wie "Roxanne", "Message In A Bottle" oder "Don't Stand So Close To Me". Für seine Solokarriere, während der er mit Jazz, Weltmusik, Reggae, Seemannsliedern und zeitgenössischer Klassik experimentierte und dabei noch sehr viel mehr Hits generierte als mit The Police.

Dann sind da noch die Filmmusiken, die Filmrollen, sein Engagement für den Regenwald, Amnesty International, Armutsbekämpfung, gegen Aids, für Haiti, die Opfer verschiedener Naturkatastrophen, eine liberalere Drogengesetzgebung in England und den Erhalt der Honigbienen. Dazu kommt seine eiserne Disziplin beim Yoga. Man wird es ihm also nicht verdenken, dass Humor bisher nicht zu seinen Stärken gehörte.

Zur Behebung eines solchen Defizits gibt es kein besseres Umfeld als eine amerikanische Late Night Show wie die von Jimmy Fallon. Nun müssen auch amerikanische Fernsehkomiker und Moderatoren derzeit aus dem Home-Office arbeiten, keiner tut das charmanter als der sonst immer als etwas harmlos gehänselte Fallon. Das liegt zum einen an seinen beiden Töchtern Winnie,6, und Franny, 5, die neben ihm am Küchentisch Co-Moderation und Artdirection mit Filzstiften übernehmen, während Fallons Frau Nancy Juvonen mit dem Handy filmt.

Zum anderen hat Fallon The Roots dabei, eine der besten Studiobands in der Geschichte des Fernsehens. Mit denen hat er schon seit einiger Zeit eine fortlaufende Sketchform gefunden. Und zwar begleitet die ansonsten satt groovende Hip-Hop- und Funkband (mit langer eigener Geschichte) Superstars mit Spielzeuginstrumenten. Das funktioniert auch über Videokonferenz ganz hervorragend. Und was lag nun näher, als Sting mit seinem Superhit "Don't Stand So Close To Me" aus dem Herbst 1980 einzuladen, der gerade zu so etwas wie der Internationalhymne der Pandemie geworden ist.

Im Text geht es zwar um das rechtlich und moralisch schwierige erotische Interesse eines Schulmädchens an ihrem Lehrer. Aber jetzt zündet natürlich der Refrain mit dem Appell, nicht so nah bei einem zu stehen, den man derzeit auch gerne auf Wochenmärkten, Spazierwegen und den Trottoirs vor den letzten geöffneten Eisdielen grölen würde.

In der kurzen Neufassung für Jimmy Fallon singt Sting die Leitstimme mit der ihm so eigenen, sehr ernsten Miene, während die Musiker auf Kissen, Topfdeckel, Turnschuhe und Spielzeug schlagen, den Rhythmus mit einer Papierschere oder Plastikmünzen halten, die in einen "Vier gewinnt"-Rahmen geworfen werden. Es gibt zwar auch Tuba und Gitarren, aber man sieht den Musikern und Fallon schon an, dass sie sich das Lachen nur schwer verkneifen können. Dazu passt es dann ganz hervorragend, dass Sting in ihrer Mitte so gänzlich unberührt von der Situationskomik erscheint.

Sting ist derzeit nicht der Einzige, der in seinem Gesamtwerk Songs entdeckt, die zur Weltlage passen. Curt Smith von Tears for Fears hat bei sich daheim gerade "Mad World" mit seiner Tochter Diva gespielt. The Knack haben "My Sharona" zu "Bye Corona" umgedichtet. Robbie Robertson, Ringo Starr und ein ganzer Haufen Classic-Rocker haben "The Weight" von Robertsons The Band zwar schon früher als Video inszeniert, bei dem alle Mitwirkenden alleine an verschiedenen Orten der Welt sind. Aber das passt wunderbar zur Last der Zwangsdistanz.

Dass ausgerechnet Sting nun aber das lustigste Rockstar-Meme geschaffen hat, war nicht zu erwarten. Und ja, für einen guten Zweck ist es auch. Man soll für "Frontline Foods" spenden. Die liefern in Amerika Gratismahlzeiten an das Krankenhauspersonal.

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