Profil:Stephan Harbarth

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(Foto: dpa)

Volksfest-Profi und bald Verfassungsrichter in Karlsruhe.

Von Wolfgang Janisch

Sollte jemand dem Bundesverfassungsgericht mal wieder mit dem Elfenbeinturm-Vorwurf kommen, so könnte dessen künftiger Vizepräsident kurzerhand auf seine Twitter-Timeline der vergangenen Monate verweisen: Stephan Harbarth war demnach beim Weinbergfest in Leimen; er hat in Sandhausen, Rauenberg, Walldorf und St. Gilgen die Kerwe eröffnet, und er ist zum Sauerkrautmarkt nach Helmstadt-Bargen ("Ein Besuch lohnt sich") gefahren. Eine umfangreichere Volksfestbilanz dürfte im Gericht sonst nur Peter Müller vorzuweisen haben. Als Ministerpräsident gab es da kein Entkommen.

Den CDU-Politiker erwartet nun der distanzierte Karlsruher Juristenkontext. Stephan Harbarth, derzeit stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, soll demnächst zum Nachfolger des Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof gewählt werden. Darauf haben sich Union, SPD, FDP und Grüne verständigt. Zwar ist bei den Grünen noch nicht das allerletzte Wort gesprochen, ob er vielleicht doch nur einfacher Richter werden soll. Denn über die Richterstelle entscheidet der Bundestag, über den Vizeposten aber der Bundesrat, und da sind die Grünen eine Macht. Trotzdem gilt als wahrscheinlichste Variante: Harbarth rückt an die Spitze des Gerichts - und wird damit 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, wenn Andreas Voßkuhle ausscheidet.

Damit ist eine zähe Kandidatensuche zu Ende. Lange war Günter Krings im Gespräch, den aber wohl letztlich die Grünen verhindert haben - er war ihnen zu dezidiert konservativ und als Innenstaatssekretär zu sehr als Politiker exponiert. Nun sitztt der 46-jährige Harbarth - mit 16 in die Junge Union eingetreten - ja auch schon seit 2009 im Bundestag. Und er ist ohne Zweifel ein Konservativer: In Fragen der Migration hat er gegen einen "gesinnungsethischen Rigorismus in Fragen des Asylrechts" Stellung bezogen, und er hat einen restriktiveren Umgang mit ausländischen Kinderehen gefordert. Aber er vermeidet dabei jeden aufwiegelnden Ton. Und beim Thema Kinderehen verfolgt er keinen ideologischen, sondern einem pragmatischen Ansatz. Oder das Thema Leihmutterschaft: In Deutschland ist sie verboten, trotzdem können Eltern ihre im Ausland ausgetragenen Leihmutterkinder hier anerkennen lassen. Bei einem Symposium suchte Harbarth, statt einfach die konservative Fahne hochzuhalten, nach differenzierten Lösungen, um wenigstens die kommerzielle Leihmutterschaft in den Griff zu bekommen.

Harbarth, geboren in Heidelberg, verheiratet und Vater von drei Kindern, ist seiner Region treu geblieben. In Heidelberg hat er studiert, er kandidiert im Wahlkreis Rhein-Neckar, und seine Kanzlei ist in Mannheim. Er hätte auch in die Wissenschaft gehen können, sein Doktorvater Peter Hommelhoff hatte ihm, dem Einserjuristen mit Yale-Abschluss, das angeboten. Aber er wurde Wirtschaftsanwalt und spielt damit, was die Abgeordneten-Nebeneinkünfte angeht, in der Champions League jenseits von 250 000 Euro Jahreseinkommen; er gehört der Großkanzlei Schilling Zutt & Anschütz an, zu deren Mandanten Deutsche Bank und Deutsche Bahn zählen - oder eben VW in der Dieselaffäre. Den Anwaltsjob wird er aufgeben, aber steckt da dennoch Konfliktpotenzial für seine Richtertätigkeit? Die Grünen-Politikerin Renate Künast ist optimistisch: "Ich traue ihm da die nötige Sensibilität zu, auch in Fragen der richterlichen Unabhängigkeit."

So gewissenhaft, wie er seine Kerwe-Besuche wahrgenommen hat, wird er übrigens auch im Wissenschaftsbetrieb beschrieben. Ein Kollege berichtet, er habe Harbarth, der auch Honorarprofessor in Heidelberg ist, zu Lehrveranstaltungen eingeladen, wo Anwälte auch mal unvorbereitet auftauchen und vor allem Nachwuchskräfte suchen. Harbarth dagegen habe immer einen präzisen Vortrag mit durchdachter These mitgebracht - und genügend Zeit. Die Studierenden seien begeistert gewesen.

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