Profil:Sibeth Ndiaye

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Die Regierungsprecherin und Vertraute Macrons will zur Not auch Lügnerin sein.

Von Leo Klimm

"Ich stehe absolut dazu zu lügen, um den Präsidenten zu schützen", hat Sibeth Ndiaye einmal gesagt. Für eine Pressereferentin im Stab von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron war das schon bemerkenswert. Nun hat der Präsident Ndiaye sogar zur Regierungssprecherin im Range einer Staatssekretärin befördert - das Bekenntnis, dass sie zur Not die Öffentlichkeit belügt, bekommt dadurch noch mehr Brisanz. Macron aber scheint die durch nichts zu erschütternde Loyalität zu schätzen, die Ndiaye da bezeugt.

Die Frau mit westafrikanischen und deutschen Wurzeln hat Macrons Aufstieg vom Politik-Außenseiter zum Präsidenten von Anfang an begleitet. Sie glaubte 2016 an ihn, als ihm noch kaum jemand in Frankreich eine Chance gab, organisierte für schmales Geld Mikrofonständer, hielt drängelnde Kameraleute von ihm fern. Nun belohnt "le chef", wie sie ihn nennt, im Zuge einer kleinen Regierungsumbildung eine seiner treuesten Weggefährtinnen mit der strategisch wichtigen Sprecherinnen-Position. Und das in einem Moment seiner Präsidentschaft, da andere Getreue der ersten Stunde dem Pariser Élysée-Palast reihenweise erschöpft den Rücken kehren.

Bei ihrer Amtsübernahme am Montag sagte Ndiaye, 39, sie wolle nicht nur verlautbaren, sondern auch der Bevölkerung zuhören. Ihr Privileg ist, dass sie wiederum beim Präsidenten viel Gehör findet. "Sie ist eine der ganz wenigen, die Macron direkt die Meinung sagen", erzählte Innenminister Christophe Castaner. Nicht nur im Umgang mit Medien geht Ndiaye keinem Streit aus dem Weg.

Im Élysée ist sie als fleißig, energisch und als äußerst effizient bekannt. Nach bald zwei intensiven Jahren am Amtssitz des Präsidenten soll zwar auch sie zuletzt eine gewisse Müdigkeit verspürt haben. "Politik ist brutal", klagte sie kürzlich. "Dazu kommt, dass ich eine Frau bin - und dann auch noch schwarz." Dass sie ab sofort Stimme und Gesicht der französischen Regierung ist, mag jedoch helfen, die Zweifel hintanzustellen. Außerdem soll die Ernennung natürlich ein Statement sein, "ein starkes Signal der Diversität in einer herausgehobenen Funktion", wie es in Macrons Umfeld heißt.

Rein politisch betrachtet war es für Ndiaye nicht naheliegend, dem in Frankreich als wirtschaftsliberal verschrienen Macron zu folgen: Sie begann ihre Laufbahn einst bei den Sozialisten. Zu Macron lief sie über, als der 2014 Wirtschaftsminister wurde - und er die Gehilfin aus der Presseabteilung von seinem sozialistischen Vorgänger übernahm. Sie möge seinen Willen, Gräben zu überwinden, begründete sie den Seitenwechsel einmal.

Nähe zur Macht hatte Ndiaye von klein auf. Sie kommt aus einer westafrikanischen Politikerfamilie, ihr Vater war in Senegal Abgeordneter, ihre Mutter Präsidentin des Verfassungsrats. Die Mutter trug den Namen Brenner - ihr Großvater war Vizegouverneur von Togo, als dieses Land eine deutsche Kolonie war. Sibeth Ndiaye wurde von ihren Eltern als Jugendliche in ein Internat nach Paris geschickt, studierte Gesundheitswirtschaft, blieb in Frankreich, heiratete, bekam drei Kinder. Erst 2016 ließ sie sich einbürgern. Sie sei stolz, Frankreich zu dienen, sagt sie, einem Land, für das sie sich schon engagiert habe, ehe sie seine Bürgerin gewesen sei.

Unter den vielen männlichen Anzugträgern in den Pariser Elitezirkeln fällt Ndiaye durch bunte Kleider auf, die sie - zu ihrer Entspannung - selbst näht. Sie erregt eben Aufmerksamkeit, vor allem mit provokanten Methoden im Job. Mal lädt sie ein selbstgedrehtes Video in den sozialen Netzwerken hoch, in dem der Präsident zu sehen ist, wie er über "irre viel Geld" schimpft, das Frankreich für Soziales ausgebe. Mal schmäht sie Journalisten, ihre täglichen Gesprächspartner, als "Schmierfinken". Dieser Frau vertraut Macron nun seine Regierungskommunikation an. Einer Frau, die stets Klartext redet, auch wenn sie dabei vielleicht nicht immer die Wahrheit sagt.

© SZ vom 02.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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