Profil:Rupert Stadler

Der gefallene Audi-Chef hat unter seinen Kollegen viele Freunde.

Von Max Hägler

Rupert Stadler
(Foto: Christof Stache/AFP)

Spott oder bestenfalls Schweigen, das wäre eigentlich erwartbar im Fall Stadler. Keiner in der Automobilbranche band seine Krawatte so ordentlich, keiner versuchte so enervierend, gute Laune zu verbreiten, wie Rupert Stadler, der langjährige Audi-Chef und damit so etwas wie der ungekrönte König von Ingolstadt. Plötzlich saß dieser Mann im Knast. Der Dieselskandal, der das Land umtreibt, hatte ein Gesicht bekommen. Bei genervten Dieselfahrern war das Anlass für Häme: Endlich hat es mal einen erwischt, das war während der mehr als vier Monate zu hören und zu lesen, die Stadler in der Nähe von Augsburg in Untersuchungshaft saß wegen des Vorwurfs des Betruges, der übrigens noch nicht erwiesen ist und gegen den sich Stadler auch wehrt.

Aber daheim in Ingolstadt ist das meist anders; auch viele der Kritiker, die er im Unternehmen hat, die ihm vor allem einen zögerlichen Führungsstil vorwerfen, meinten zuletzt mit einem gewissen Bedauern: Der sitzt ganz schön lang ein. Und auch in der Branche ist keine Freude mehr zu vernehmen, dass ein Konkurrent gestürzt ist. Stattdessen sagten und sagen Männer, die Millionen Euro verdienen und im Allgemeinen extraabgebrüht auftreten: Man denke oft an Stadler. "Als Kollege, den man gut kennt, nimmt man natürlich Anteil an der menschlichen Situation", erklärte etwa Daimler-Chef Dieter Zetsche vor wenigen Wochen. Er hoffe, dass ein nächster Haftprüfungstermin "ein positives Ergebnis" für Stadler habe. Als es an diesem Dienstag so weit ist, bekommt er aus der Branche wieder Mitgefühl, das ehrlich klingt: "Ich kenne ihn gut", sagt Volvo-Chef Håkan Samuelsson, "ich bin froh, dass er frei ist."

Solche Gefühlsäußerungen sind nicht üblich in einer Branche, in der es um Milliarden Euro geht. Man könnte schweigen zu dem Fall, zu dem Gefallenen, könnte Stadler und Audi nur noch mit spitzen Fingern anfassen. Aber Stadler, 55, ist kein besonders Aussätziger. Denn alle sind mehr oder weniger von der gleichen, selbstverursachten Seuche betroffen.

Stadler, Sohn eines Landwirtes, studierter Betriebswirt und groß geworden in der Nähe der Audi-Stadt Ingolstadt, führte den Autobauer beinahe zwölf Jahre lang, bis er im Oktober entlassen worden ist. Die Geschäftszahlen bis dahin: meist gut. Das Ansehen der Firma: ordentlich. Das Selbstbewusstsein des Chefs: lange ungebrochen. Den Platz an der Sonne habe man sich immer hart erarbeiten müssen, sagte Stadler noch in diesem Jahr. Da waren die Ermittlungen gegen ihn schon im Gange. Nach Ansicht der Staatsanwälte soll er hingenommen haben, dass Audi auch nach Auffliegen des Dieselskandals weiter Autos verkaufte, die mit einer illegalen Abgas-Software herumfuhren. Wodurch letztlich übermäßig viel vom Reizgas Stickoxid aus den Auspuffen kam. Und er soll überlegt haben, ob man einen Konzernmitarbeiter, welcher in der Sache mit Ermittlern zusammenarbeitet, nicht besser beurlauben sollte. Die Ankläger werten das eine derzeit als Betrug und das andere als Verdunkelungsversuch.

Die meisten Automanager in Europa hatten wegen ähnlicher Vorwürfe mittlerweile Ermittler in ihren Büros stehen. Denn in dieser stark regulierten Industrie versuchen alle Hersteller, die Vorgaben so auszureizen, dass Geld gespart wird und dafür die Marge steigt zum Wohle der eigenen Boni und der Aktionäre - das ist auch, was letztlich hinter allen Optimierungen von Abgasanlagen steckt. Und beinahe überall gibt es den Verdacht, dass die Grenzen in illegaler Weise ausgereizt worden sein könnten.

Als man Zetsche letzthin noch fragte, ob denn Daimler-Manager eine Behandlung fürchten, wie sie Stadler widerfahren sei, antwortete er: Daimler bewege sich in einer "sehr anderen Situation". Und fügte dann hinzu: "Aber logischerweise: Auf hoher See ..." Zu Ende geführt heißt das wohl: Uns allen in der Branche kann so etwas widerfahren wie Stadler. Darüber wollen sie nicht spotten.

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