Profil:Romeo Franz

Profilbild vom 22.6.2018

Romeo Franz

(Foto: imago/IPON)

Der Grüne zieht als erster Sinto ins Europaparlament ein. Er nimmt seine Geige mit.

Von Susanne Höll

Die Geschichte des Mannes, der am 3. Juli als Abgeordneter in das Europaparlament einziehen wird, ist in mancherlei Hinsicht wundersam. Romeo Franz säße längst schon in Straßburg, hätte das Bundesverfassungsgericht 2014 nicht die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl gekippt. Ausgerechnet der vormalige NPD-Chef Udo Vogt erhielt dann den Platz, der ansonsten an Franz gegangen wäre. Nun aber wird sein Wunsch noch wahr: Als Nachrücker für seinen Grünen-Kollegen Jan Philipp Albrecht ist Franz künftig EU-Parlamentarier. Er wird dort der allererste Angehörige des leidgeprüften Volkes der Sinti sein.

Franz, Jahrgang 1966, geboren in Kaiserslautern, wohnhaft in Oggersheim, ist ein großer, kräftiger und recht fröhlicher Mensch, außerdem ein Tausendsassa. Die einen kennen ihn als Musiker und Komponisten, die anderen als Kämpfer für die Rechte von Roma und Sinti, die bis heute diskriminiert werden. Das jüngste Beispiel dafür lieferte der italienische Innenminister und Vorsitzende der fremdenfeindlichen Lega-Partei Matteo Salvini, der Sinti und Roma zählen lassen will, angeblich, um Illegale auszuweisen. "Schändlich", findet Franz. Er fühlt sich erinnert an die Zeit des Faschismus in Deutschland und Italien, wieder einmal.

Franz entstammt einer, wie er sagt, "preußischen" Sinti-Familie, zwei seiner Großonkel kämpften im Ersten Weltkrieg in der deutschen Armee. Etliche Familienmitglieder wurden Opfer der Nazis, die Großonkel Paul, Albert und Joschi, die Großtante Bärbel. Auch ihnen hat Franz, ein getreu der Familientradition äußerst begabter Musiker und Meisterschüler des Geigenvirtuosen Schnuckenack Reinhardt, sein Violinen-Stück "Mare Manuschenge" gewidmet, das zum akustischen Element des Berliner Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma wurde. Für das Werk nahm er den bis heute erhaltenen Geigenbogen von Großonkel Paul zur Hand.

In Straßburg und Brüssel will Franz das fortsetzen, was er seit 25 Jahren zumeist ehrenamtlich tut - die Stimme erheben für eine Minderheit, deren historisches Leid noch immer nicht, wie er sagt, angemessen gewürdigt werde. Populisten und Nationalisten vom Schlage Salvinis will er die Stirn bieten, den Antiziganismus bekämpfen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber konsequent und fest in der Sache. "Ich bin kein Theoretiker, sondern ein Pragmatiker, ich möchte die Menschen überzeugen", sagt er über sich selbst. Er kennt sich aus mit der beklagenswerten Situation von Roma in Südosteuropa, hat die Länder bereist. Die EU-Hilfen erreichten die Menschen dort kaum, das Geld versickere oft wegen der Korruption, den Hilfsorganisationen vor Ort fehle der finanzielle Rückhalt, über Projekte unterstützend zu wirken. Franz seinerseits ist Geschäftsführer der Hildegard-Lagrenne-Stiftung in Mannheim, die insbesondere jungen Sinti und Roma auf ihren Bildungswegen hilft.

Romeo Franz ist Vater zweier Töchtern und eines Sohnes, wie die ganze Familie erlebten auch sie schmerzhafte Diskriminierung, wurden in der Schule als "Zigeuner" betitelt. "Es gibt keine Zigeuner. Das ist keine Ethnie", sagt Franz. Und fügt hinzu: "Man kann ein Zigeunerleben führen, ganz egal, woher man stammt." Seine Eltern hatten bei der Suche nach einer Wohnung in Mannheim kränkende Erlebnisse mit Vermietern. Auch ihm, dem renommierten Musiker, sind Schmähungen nicht fremd. Schon als junger Mann gründete er ein Ensemble, die Musik war und ist für ihn eine Insel der Ruhe im ansonsten politisch bewegten Leben.

Was wird nun aus der Gruppe? Die Dinge sind geordnet. Sohn Sunny, gerade einmal 18 Jahre alt, wird neuer Chef. "Er ist musikalisch besser als ich", sagt der Vater. Vielleicht nimmt Romeo Franz seine Geige mit nach Straßburg und Brüssel. Es könnte ja sein, sagt er, dass es dort noch andere Musiker gebe mit Lust auf kleine, private Konzerte.

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