Profil:Philippe Martinez

French CGT trade union general secretary Philippe Martinez arrives to speak to union members who gathered for the start of the trial of Air France employees near the courthouse in Bobigny; profil_blackwhite

Philippe Martinez, französischer Arbeiterführer mit Lust am Streit und am Fußball.

(Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters)

Französischer Gewerkschaftsführer mit Lust am Fußball.

Philippe Martinez liebt den Fußball, nicht den Kommerzfußball natürlich, aber das Spiel. Als der Mann mit dem markanten Schnauzbart noch nicht Funktionär, sondern Facharbeiter bei Renault war, hat er lange in der Werkself gespielt. Und jetzt, da in zehn Tagen die Europameisterschaft beginnt, mag Martinez den Fußball wohl ganz besonders - mitsamt dem Kommerz. Denn das Turnier in Frankreich, die damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen und die Sorgen der Gastgeber um ihr Image potenzieren seine Macht: In dem harten Konflikt um eine Arbeitsrechtsreform, den Martinez mit der sozialistischen Regierung in Paris austrägt, kommt ihm die EM gerade recht.

Der Generalsekretär der ältesten und größten französischen Gewerkschaft CGT muss gar nicht laut drohen, dass er das Fußballfest stören könnte. Er lässt Taten sprechen: Nachdem die CGT zuletzt schon Raffinerien und Kernkraftwerke bestreikte, ordnet Martinez nun "die Fortsetzung und Ausweitung der Proteste" an. In den nächsten Tagen kommt es zu Ausständen bei der Bahn, der Pariser Metro und in der Luftfahrt. Es dürfte die entscheidende Phase im Kampf um die Reform werden, deren Rücknahme Martinez erzwingen will, weil er darin inakzeptable Zugeständnisse an die Arbeitgeber sieht.

Der Ausgang des Konflikts entscheidet auch, wie stark oder schwach der 55-jährige Martinez als CGT-Boss wird. Der Konflikt mit Premierminister Manuel Valls - mit dem er nicht nur die spanische Herkunft teilt, sondern auch die Streitlust - ist die erste Bewährungsprobe. 2015 wurde er in der Not gerufen, nachdem der Vorgänger über einen Luxusskandal gestolpert war. Nun geht es für Martinez um nichts Geringeres, als die marxistisch geprägte CGT vor dem Niedergang zu retten. Zählte sie nach dem Krieg fünf Millionen Mitglieder, sind es heute nur 680 000. Zu einem wahrhaftigen Generalstreik ist sie schon lange nicht mehr imstande. Die reformorientierte Konkurrenz von der CFDT - die das Arbeitsgesetz unterstützt - droht die CGT als stärkste Gewerkschaft abzulösen.

In diesem Existenzkampf hat sich Martinez für eine radikale Linie entschieden. Obgleich er sein Parteibuch bei den Kommunisten vor Jahren zurückgegeben hat, tritt er nach innen doktrinär auf, erzählen Kenner. Nach außen zeigt er sich stets ruhig und verbindlich, scheut aber keine scharfen Worte: Die Regierung schüre ein "Klima des Hasses" gegen die CGT, wettert er.

Sicher ist zumindest, dass er nicht gut ankommt. Zwei Drittel der Franzosen, so eine Umfrage, haben ein schlechtes Bild von ihm. Die Mehrheit lehnt die Streiks ab. Allerdings ist es auch nur eine Minderheit, die das Arbeitsgesetz gutheißt. Angesichts ihrer jeweiligen Schwäche ist es daher möglich, dass Martinez und Valls doch gemeinsam einen Ausweg suchen. Er habe jüngst erstmals seit zwei Monaten mit Valls telefoniert, berichtet Martinez. Und er beteuert: "Wir wollen die Leute nicht hindern, zum Fußball zu gehen."

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