Profil:Norbert Röttgen

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Der Merkel-Kritiker will nun an die Spitze der CDU.

Von Stefan Kornelius

(Foto: dpa)

Bei Norbert Röttgen werden in den nächsten Tagen ein paar Dinge langfristig entschieden. Vor allem, wie der Mann wahrgenommen wird - von seiner Partei und von den Wählern. Das muss nicht die gleiche Wahrnehmung sein, denn in der CDU steht nun alles auf Taktik, und da stört Norbert Röttgen nur. Die Suche nach dem neuen Bundesvorsitzenden der Christdemokraten wird dank seiner Kandidatur zu einer (momentan) unberechenbaren Angelegenheit.

Die Aura des Spielverderbers hängt Norbert Röttgen an, seitdem er bei der Landtagswahl 2012 in Nordrhein-Westfalen seine Spitzenkandidatur durch einen Fehler in den Sand gesetzt hat. Röttgen wollte sich damals nicht auf die Rolle als Oppositionsführer im Falle einer Niederlage festlegen lassen - und das missfiel den Wählern. Die Wahl ging verloren, und Röttgen trat als Landesvorsitzender zurück, von einer Position, die er übrigens mit einem deutlichen Sympathie- und Stimmenvorsprung vor einem gewissen Armin Laschet errungen hatte.

Als er kurz darauf auch noch von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Umweltminister entlassen wurde, grummelten nicht wenige in der Union: Gewiss, Norbert Röttgen hatte die Kanzlerin im Wahlkampf provoziert, er war angeschlagen und hätte in der schwierigen Phase des Atomausstiegs einen geschwächten Fachminister abgegeben. Aber die Keule Ministerentlassung packt man nur aus sehr schwerwiegendem Grund aus.

Seitdem wird Röttgen vorgehalten, dass er auf Rache gegen Merkel aus sei. Das ist in dieser Härte übertrieben, auch wenn er die Bundeskanzlerin immer und immer wieder wegen ihrer defensiven Art kritisiert. Röttgen weiß aber auch, dass er Merkel nicht nachhaltig schaden kann. In außenpolitischen Fragen, Röttgens wichtigem Spielfeld als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, trennt die beiden nicht viel. Auf seinen unzähligen Reisen in alle Welt gibt er einen verlässlichen Part im Sinne der Bundesregierung.

Allerdings wäre da diese eine Sache, die Röttgen deutlich von Merkel und seiner Partei unterscheidet und die ihm große Sympathien bei den Wählern einbringt: Der Mann ist frei. Er scheut sich nicht, Fehler zu benennen und Wahrheiten auszusprechen, während andere in Parteidisziplin erstarren. Ob über Wladimir Putin in Syrien oder die Europapolitik des Bundes, ob zu Robert Habecks Feindschaftserklärung an Donald Trump - Röttgen trifft den Ton der Vernünftigen. Zuletzt hat er das beim Thema 5G bewiesen, wo er eine kleine Partei- und Fraktionsrevolte zum Schutz der nationalen, digitalen Infrastruktur anführte, die wohl weitgehend erfolgreich enden wird.

"Muttis Klügsten" haben sie ihn genannt, auch um ihn mit diesem Spott abzuwerten. Tatsächlich ist Röttgen klug, und er schafft es nicht, die Klugheit vor den weniger Klugen zu verbergen. Das verpasst ihm das Image des Besserwissers, was im Herdentrieb der Union nicht gut ankommt. Ebenso wenig goutiert werden Ratschläge, dass die Partei doch bitte schön Klarheit und Wahrhaftigkeit gegenüber Rechtsaußen, der Werte-Union, der Linkspartei und der eigenen Bürgerlichkeit inklusive ihrer grünen Seele entwickeln möge - und dass sich diese Klarheit auch in der Figur des neuen Bundesvorsitzenden spiegeln müsse.

Norbert Röttgen, jetzt 54, Absolvent der juristischen Fakultät der Universität Bonn, bis heute treuer Bewohner des Rhein-Sieg-Kreises und somit mit rheinischer Gelassenheit und Ironiefähigkeit ausgestattet, wird nun auf die eigentliche Kernkompetenz getestet, die für den Vorsitz der CDU und auch für die Kanzlerkandidatur nötig ist: Kann er den König der Herzen geben - oder doch nur den König der Köpfe? Wer auch immer das Urteil spricht, und wie auch immer es ausfällt: Norbert Röttgen hat seiner Partei wenigstens mutig mitgeteilt, um was es nun in Wahrheit geht.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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