Profil:Nina Scheer

SPD-Unterstützerinitiative 'Neue Energie! Atomkraft-nein danke'; Profil

SPD-Rebellin und Umweltpolitikerin mit Familientradition.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

SPD-Rebellin und Umweltpolitikerin mit Familientradition.

Von Nico Fried

Es war spät am Dienstag der vergangenen Woche in der SPD-Bundestagsfraktion. Parteichef Sigmar Gabriel war schon weg, auch viele Abgeordnete hatten den Saal verlassen. Da wurde nach rund drei Stunden Sitzung noch das Thema Glyphosat aufgerufen. Ein knappes Dutzend Wortmeldungen später war sich die Mehrheit der Abgeordneten mit Umweltministerin Barbara Hendricks einig - und am nächsten Morgen erfuhren die übrigen SPD-Minister bei ihrem Routinefrühstück vor der Kabinettssitzung, dass eine weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels unter den sozialdemokratischen Abgeordneten nicht erwünscht sei. Dem fügte sich auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler Gabriel. Das wiederum hat zu einem veritablen Krach in der Koalition geführt. Und eine, die daran neben prominenteren SPD-Abgeordneten wie Ute Vogt und Karl Lauterbach durchaus ihren Anteil hatte, war Nina Scheer, 44, aus Schleswig-Holstein.

Nina Scheer ist die Tochter des früheren SPD-Abgeordneten Hermann Scheer, eines der prominentesten und streitbarsten Umweltpolitikers, den die Partei je hervorgebracht hat. Hermann Scheer, 2010 verstorben, hatte über Jahrzehnte die erneuerbaren Energien propagiert, vor allem den Solarstrom, und 1999 den Alternativen Nobelpreis erhalten. Seine Tochter ist Vorstand einer Stiftung, die an sein Lebenswerk erinnert, sieht sich aber politisch nicht in der Rolle, nur ein Vermächtnis fortzuführen. Geerbt hat die Tochter vom Vater offenkundig das Interesse für Umwelt und erneuerbare Energien, die Neigung zum bisweilen ausufernden Vortrag - sowie einen Zug ins Rebellische.

Nina Scheer, ausgebildete Violonistin, studierte Juristin und Doktorin der Politikwissenschaft, kam 2013 über die Landesliste Schleswig-Holstein in den Bundestag. Sie gehört zu jenen linken Abgeordneten, die der SPD das Regieren fürwahr nicht immer leichter machen. Scheer stimmte gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Syrien, in der Energiepolitik hat sie eigene Vorstellungen und bevor es in besagter Fraktionssitzung um Glyphosat ging, hatte Scheer, die einst über Welthandel und Umweltschutz promoviert hat, bereits mit Sigmar Gabriel wegen TTIP gestritten. Manche in der SPD bezeichnen sie als hartnäckig, andere sagen: Die nervt.

In der Sache hat sich ihre Meinung zum Herbizid auch durch eine neue Studie der Weltgesundheitsorganisation nicht verändert. Scheer sieht die Anforderungen des Vorsorgeprinzips, wonach eine Gefährdung ausgeschlossen sein muss, nicht erfüllt. Zudem hebt sie auf die unumstrittenen Auswirkungen auf den Artenschutz ab. Es entbehrt nicht der Ironie, dass Scheer, die nun mit einigen Kollegen einen Regierungskrach verursacht und Glyphosat an den Rand des Verbots gebracht hat, einige Zeit im Büro des SPD-Abgeordneten Marco Bülow arbeitete. Ausgerechnet der schrieb 2010 ein Buch, in dem er die angebliche Machtlosigkeit von Abgeordneten gegenüber der Regierung beklagte.

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