Treffen mit der Kanzlerin:"Natürlich war sie aufgeregt"

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Eine halbe Stunde hatte sich Kanzlerin Merkel für Natalie Dedreux Zeit genommen. (Foto: REUTERS)

Natalie Dedreux ist 19 und hat das Down-Syndrom. Vor einiger Zeit konfrontierte sie die Kanzlerin mit Fragen zur Spätabtreibung. Jetzt bekam sie von Merkel erneut Besuch - und wollte wieder jede Menge wissen.

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Die Kanzlerin hatte über Altersarmut gesprochen, Rentenversicherung, Kitagebühren, da meldete sich eine junge Frau. "Ich bin Natalie Dedreux", sagte sie, "ich bin 18 Jahre alt." Sie hatte sich vorbereitet auf diesen Moment, las ihren Text von einem Zettel ab. "Neun von zehn Babys mit Down-Syndrom werden in Deutschland nicht geboren. Sie werden abgetrieben." Pause. "Wie stehen Sie zum Thema Spätabbruch?" September 2017, Wahlarena Lübeck. Angela Merkel, der die Frage gestellt wurde, schaute Natalie Dedreux an, die das Down-Syndrom hat. Merkel nickte, nickte noch mal, schluckte und lächelte. Dann erst antwortete sie.

An diesem Mittwoch haben die beiden Frauen sich wiedergetroffen, im Café Querbeet in Köln-Kalk, wo Natalie Dedreux eine Ausbildung im hauswirtschaftlichen Bereich macht. Dedreux und ihre Kollegen haben Blumen in Vasen gesteckt und Tischdecken aufgebügelt, sie haben Schoko-Nuss-Kekse gebacken, außerdem Butterkekse, Erdnusskekse, Schwarz-Weiß-Gebäck. Eine Kanzlerin kommt nicht jeden Tag zu Besuch.

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Natalie Dedreux, mittlerweile 19 Jahre alt, hat mit ihrer Frage damals eine Diskussion ausgelöst. Es ging darum, bis zu welcher Schwangerschaftswoche Frauen abtreiben dürfen sollen, wenn klar ist, dass das Kind behindert zur Welt kommen wird. Es ging um Frühdiagnostik, um Bluttests und Fruchtwasseruntersuchungen und die jeweiligen Risiken, um Ethik und Moral. In Deutschland ist eine Spätabtreibung auch im neunten Monat straffrei möglich, wenn der Arzt eine entsprechende Diagnose gestellt hat. Drei Tage Bedenkzeit müssen zwischen der Beratung und dem Eingriff liegen. Laut Statistischem Bundesamt wurden im vergangenen Jahr 101 209 Schwangerschaften abgebrochen, 654 davon nach der 22. Woche.

Es ist die Entscheidung der Frau, ob sie ein behindertes Kind bekommen will oder nicht, sagen die einen. "Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben", sagt Natalie Dedreux.

Sie malt Mandalas, Lieblingsfarbe Türkis, sie reist gerne

39 Stunden pro Woche arbeitet sie bei der Caritas. Sie belegt Brötchen, deckt Tische ein und räumt sie wieder ab, bedient, spült, wäscht. Was man eben so tut, wenn man in einem Café arbeitet. In anderthalb Jahren ist sie mit der Ausbildung fertig. Bei Menschen mit Down-Syndrom kommt das Chromosom 21 nicht zweifach, sondern dreifach vor. Diese Genommutation wird deshalb auch Trisomie 21 genannt. Wie sehr sie die Betroffene einschränkt, ist unterschiedlich. Aber um die Einschränkung geht es Natalie Dedreux nicht. Sie möchte zeigen, was möglich ist, wenn man gut gefördert wird. Sie malt Mandalas, Lieblingsfarbe Türkis, sie reist gerne, am liebsten nach Frankreich und Dubai. Eine typische Woche? Montags Leichtathletik, mittwochs Bodenturnen, freitags Singen. "Darum will ich zeigen, wie ich cool drauf bin hier, und meine Freunde mit Down Syndrom sind auch cool drauf. Ihr sollt aufhören, Angst davor zu haben." So schreibt sie es auf ihrer eigenen Homepage und in der Zeitschrift Ohrenkuss, für die sie als Redaktionsmitglied arbeitet.

Am Mittwoch hat sich die Kanzlerin eine halbe Stunde Zeit für sie genommen; ein privates Treffen, in der Wahlarena versprochen, im Café Querbeet eingelöst. "Natürlich war sie aufgeregt", sagt ihre Mutter am Telefon. Und Natalie Dedreux? Die hatte sich Fragen an Angela Merkel notiert. Würde sie als Physikerin gerne mal ins Weltall fliegen? Interessanter Gedanke, aber eher nicht. Was macht sie in ihrer Freizeit? Kochen und im Garten werkeln. Arbeitet sie mit Menschen mit Down-Syndrom? Leider nein, habe die Kanzlerin geantwortet, aber was nicht ist, könne ja noch werden.

Angela Merkel war schon auf dem Weg zum nächsten Termin, als Natalie Dedreux sagt, wie sehr sie sich über das Treffen gefreut hat. Sie habe das Gefühl gehabt, dass die Kanzlerin auch ihr zugehört hat.

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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