Profil:Mustafa al-Kadhimi

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(Foto: oh)

Der designierte Regierungschef des Irak hat viel vor.

Von Paul-Anton Krüger

In Irak ist es schon in normalen Zeiten ein Kunststück, eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Adil Abdul Mahdi musste als Premier im November nach Massenprotesten in Bagdad und im ganzen Land zurücktreten. Seither haben zwei Kandidaten für das Amt des Regierungschefs hingeworfen, entnervt vom Ringen um Einfluss zwischen Iran und den USA und dem Gerangel der an Konfessionen und Volksgruppen gebundenen Parteien. Nun soll Geheimdienstchef Mustafa al-Kadhimi, 53, das Land aus dem monatelangen politischen Vakuum herausführen. Scheitert der studierte Jurist, könnte auch Irak als Staat scheitern.

2016 vom damaligen Premier Haidar al-Abadi als Geheimdienstchef eingesetzt verfügt al-Kadhimi zumindest über gute Verbindungen sowohl nach Washington als auch nach Teheran. Zwar hatten noch im Dezember Iran nahestehende Parteien und Milizen Front gegen ihn gemacht. Jetzt tragen sie seine Kandidatur zumindest dem offiziellen Anschein nach mit. Ihre wichtigsten Vertreter waren in Bagdad zugegen, als Präsident Barham Salih ihm den Auftrag zur Regierungsbildung erteilte. Kurz zuvor hatte der Chef der Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden, General Esmail Qaani, die irakische Hauptstadt besucht - und maßgeblich einen anderen Kandidaten verhindert.

Kadhimi nahm seine Instruktionen mit schwarzen Lederhandschuhen entgegen. Er hat einen Monat Zeit, ein Kabinett zu bilden, das dann noch vom Parlament bestätigt werden muss. Er hat angekündigt, die grassierende Korruption zu bekämpfen und den Erwartungen des irakischen Volkes Priorität zu geben - ein Verweis auf die Forderungen bei den Massenprotesten des vergangenen Jahres, bei denen 500 Menschen getötet worden waren.

Allerdings macht nicht nur die Corona-Krise den Menschen an Euphrat und Tigris schwer zu schaffen. Der Einbruch der Ölpreise beraubt die Regierung ihrer Optionen. Das Budget speist sich zu 90 Prozent aus Petrodollars, der Haushalt beruht auf einem Preis von 56 Dollar - fast das Doppelte des jetzigen Niveaus. Schon nächsten Monat könne die Regierung womöglich die Hälfte der drei Millionen Staatsbediensteten nicht mehr bezahlen, heißt es in Bagdad - was Gesellschaft und Wirtschaft ins Wanken bringen würde.

Al-Kadhimi, der 1985 vor Diktator Saddam Hussein ins Exil in Großbritannien geflohen war, hat nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Bagdad nach der US-Invasion im Jahr 2003 als Journalist gearbeitet und viel über die notwendigen Reformen in Irak geschrieben. Schon in den vergangenen Jahren gab es im Sommer Engpässe bei der Strom- und Wasserversorgung und anderen grundlegenden Dienstleistungen des Staates. Der verheiratete Vater zweier Kinder gilt zwar politisch als unabhängig und hat den Ruf, der Korruption im Geheimdienst entgegengetreten zu sein. Fraglich ist aber, ob er ohne eine Hausmacht im zerstrittenen Parlament die verkrusteten Strukturen aufbrechen kann und es ihm überhaupt gelingt, ein Kabinett bestätigt zu bekommen. Al-Kadhimis zentrale Aufgabe wäre dann, das Land zu geregelten Neuwahlen zu führen.

Zugleich muss al-Kadhimi verhindern, dass sich Iran und die USA einen militärischen Schlagabtausch in Irak liefern. Die Tötung des Revolutionsgarden-Kommandeurs Qasem Soleimani durch die USA ist nicht vergessen. In den vergangenen Wochen feuerten Iran nahestehende Milizen wiederholt Raketen auf US-Ziele in Irak. Teheran und schiitische Gruppen in Irak wollen die Amerikaner nach wie vor aus dem Land vertreiben. Die USA ziehen ihre Soldaten auf zwei Stützpunkten zusammen. US-Präsident Donald Trump hat gedroht, Iran werde einen "sehr hohen Preis" zahlen, sollten sie angegriffen werden. Washington will im Juni die Beziehungen zu Bagdad neu ausrichten. Zugleich droht ein Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat, an deren Bekämpfung der Geheimdienstchef mitgewirkt hat.

© SZ vom 15.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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