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Evangelikaler und Erziehungsminister in Brasilien

Von Christoph Gurk

Noch bevor Milton Ribeiro sein Amt überhaupt angetreten hatte, gab es schon den ersten Skandal. Ein Video zeigte eine Predigt des neuen brasilianischen Erziehungsministers. Sie trug den Titel "A vara da disciplina", auf Deutsch in etwa "Der Rohrstock". Kinder, sagte Ribeiro, müssten manchmal Schmerz spüren, mit Nachsicht erreiche man nur selten etwas in der Erziehung. "Der Rohrstock darf darum in keinem Haus fehlen", so Ribeiro.

Das Video stammt von 2016, längst ist es gelöscht und Ribeiro seit ein paar Tagen nun auch offiziell im Amt, aller Kritik zum Trotz. Bei seiner Antrittsrede erklärte Ribeiro, er sei gegen körperliche Züchtigung im Unterricht. Ein fader Beigeschmack aber bleibt. Denn Ribeiro hat zwar in Erziehungswissenschaften promoviert, er ist aber auch Pastor in einer evangelikalen Gemeinde.

Für die Evangelikalen und die vielen weiteren neuchristlichen Gruppen in Brasilien ist die Ernennung des 62-Jährigen ein Erfolg. Ihre Anhängerschaft in Südamerikas größtem Land wächst und wächst, ein paar Jahre noch, dann könnten sie bei der Zahl der Gläubigen die Katholiken überholt haben. Und mit der Mitgliederzahl steigt auch ihre Macht. Über ihre TV-Kanäle und Radiostationen haben die Evangelikalen maßgeblich zum Wahlerfolg von Jair Bolsonaro im Jahr 2018 beigetragen, bis heute sind sie neben der Armee der wichtigste Machtpfeiler des Präsidenten. Bolsonaro revanchiert sich für die Unterstützung, mal mit einem öffentlichen Kniefall vor einem evangelikalen Bischof, mal mit öffentlichen Ämtern.

Besonders interessant sind dabei Posten, über die man Einfluss auf gesellschaftliche Werte und Debatten nehmen kann. Das Ministerium für Menschenrechte, Familie und Frauen führt seit Bolsonaros Amtsantritt im Januar 2019 eine evangelikale Pastorin. Sie glaubt, Jesus sei ihr höchstpersönlich erschienen und Jungen sollten Hellblau tragen, Mädchen dagegen Rosarot.

Gegner der Regierung sehen den Einfluss der Evangelikalen mit Sorge. Die Ernennung Ribeiros erregt darum Unmut, der Pastor wird zudem Erziehungsminister - und die öffentliche Bildung ist in Brasilien ohnehin schon schwer umkämpft und politisiert. Seit Jahren kritisieren ultrarechte Gruppen die angeblich viel zu liberalen und linken Lehrpläne. Präsident Bolsonaro griff diese Diskussion auf: Sein erster Bildungsminister, Ricardo Vélez Rodríguez, war ein Philosoph vom äußersten rechten Rand, der Schulen von "marxistischem Müll" reinigen wollte.

Nach ein paar Monaten im Amt wurde er abgelöst von Abraham Weintraub, einem ehemaligen Investmentbanker, der glaubt, Kommunisten würden Crack nach Brasilien schmuggeln, um das Land zu schwächen. Weintraub strich Gelder zusammen, gefördert werden sollten nur noch Fächer an Universitäten, die auch direkten Nutzen hätten für die Gesellschaft.

Weintraub wurde zunehmend zum Gespött wegen grober Schreibfehler im Netz und in öffentlichen Dokumenten. Zudem beschimpfte er Minderheiten und stänkerte gegen China. Inmitten von Ermittlungen wegen der Verbreitung von Hassbotschaften im Netz trat Weintraub im Juni zurück und verließ das Land überhastet in Richtung der USA. Ihm sollte ein weiterer Wirtschaftswissenschaftler nachfolgen, der es aber wegen eines Skandals um einen falschen Doktortitel in seinem Lebenslauf nicht einmal bis zur Amtsübergabe schaffte.

Milton Ribeiro ist nun der vierte Erziehungsminister innerhalb von eineinhalb Jahren. Vor ihm liegt eine schwere Aufgabe: Wegen der Corona-Pandemie sind brasilianische Schulen geschlossen, die Lücken im Bildungssystem werden dadurch nur noch größer. Wie er diese Herausforderungen angehen will, hat Ribeiro nicht verraten, wohl aber, dass er hoffe, Hilfe zu bekommen, von niemand Geringerem als dem Herrgott höchstpersönlich.

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