Profil:Mikuláš Minář

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(Foto: AP)

Der 26-Jährige ist Initiator der Großdemos gegen Tschechiens Premier Andrej Babiš.

Von Viktoria Großmann

Im tschechischen Wahlkampf 2017 fand Mikuláš Minář einen Flyer der Partei Ano im Briefkasten. Damals verschickte der heutige Premier einen "Vertrag zwischen Andrej Babiš und den Bürgern der tschechischen Republik" - ein Mann, der vorhat, den Staat wie eine Firma zu führen, aber gleichzeitig verspricht, die Demokratie zu unterstützen. "Ich dachte mir, es ist an der Zeit, sich ein bisschen mehr für Politik zu interessieren", sagt der heute 26-jährige Mikuláš Minář tschechischen Medien. So startete er im November 2017 eine Unterschriftenaktion zur Absetzung des Premiers, kaum dass der richtig im Amt war. Minář nannte die Aktion "Eine Million Augenblicke für die Demokratie".

An diesem Sonntagnachmittag blickte Minář auf ein Meer von Demonstranten. Schätzungen zufolge hatten sich auf dem Prager Letná-Platz 283 000 Menschen versammelt - zumindest waren entsprechend viele Mobiltelefone mit dem Datenmast verbunden. Das Netz brach zusammen, Metro-Stationen wurden wegen Überfüllung geschlossen. Aber alles blieb ruhig, es herrschte geradezu entspannte Festivalatmosphäre. Das ist auch Minářs Ton zu verdanken: klar in den Forderungen, doch ohne persönliche oder verletzende Angriffe. Auf dem Podium riefen er und sein Mitstreiter, der 24-jährige Theologiestudent Benjamin Roll, dazu auf, friedlich und freundlich zu bleiben.

Minářs Überzeugung rührt womöglich auch von seinem evangelischen Glauben her. Sein Studium der tschechischen Literatur und Sprache und der Philosophie an der Karls-Universität Prag ruht derzeit. Minář hat zu viel um die Ohren. Auch über den Sommer will er sich nicht ausruhen. Seine Bewegung hat längst Hunderte Freiwillige, es bilden sich kleinere Untergruppen in verschiedenen Orten. Gerade bereitet Minář eine weitere Kundgebung vor: für den 16. November, den Vorabend des 30. Jahrestags des Beginns der Samtenen Revolution, die zum Sturz des kommunistischen Regimes führte. Allerdings, so sagt er, seien die Demos kein Selbstzweck. "Wir wollen eine demokratische Kultur, Engagement und öffentliche Debatten unterstützen", beschreibt er das Ziel von "Eine Million Augenblicke".

Und das strikt überparteilich. Minář will Menschen mit unterschiedlichen politischen Vorstellungen zusammenbringen, die eines eint: die Forderung nach Ehrlichkeit und Anstand in der Politik. Minář möchte sich keiner Partei anschließen, keine gründen und keine unterstützen. Was Kritiker ihm vorwerfen. Doch der Student findet, es sei Aufgabe der Oppositionsparteien, die Menschen zu überzeugen und Mehrheiten zu gewinnen. Seine Aufgabe sei beendet, wenn Babiš zurücktrete. Auf eine Million Unterschriften kommt die Bewegung bisher nicht, doch die Zahlen wachsen sprunghaft. Die Organisation hat die Menschen auch gefragt, was sie mit "Eine Million Augenblicke" verbinden: Demokratie und Hoffnung waren die häufigsten Antworten.

Ob es in Tschechien zu politischen Veränderungen kommt, hängt auch davon ab, ob Premier Babiš im Falle möglicher Interessenskonflikte und wohl zu Unrecht erhaltener Subventionen für seine Firmen angeklagt wird. Für den Premier ist Minář offensichtlich kein Gesprächspartner. Immer wieder hatten der und seine Mitstreiter Babiš zum Gespräch aufgerufen. Doch auch am Tag nach der historischen Sonntagsdemo sagt dieser nur, er könne nicht verstehen, warum die Leute immer unzufriedener würden.

Vor Minář liegt nun - trotz des Erfolgs - keine einfache Zeit. Er muss sich gegen unfaire Angriffe wehren, etwa die Verleumdung, er sei von der Uni geflogen. Seine Professoren stellten öffentlich richtig: Er sei ein sehr begabter Student. Auf der anderen Seite wächst die Ungeduld; möglich, dass die Menschen bald konkrete Ergebnisse erwarten - auch von Minář, dem Initiator des Ganzen. Er hat an die Demonstranten eine klare Botschaft: "Wir hören nicht auf, bis sich etwas zum Besseren wandelt."

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