Profil:Marlène Schiappa

Marlene Schiappa
(Foto: AFP)

Die französische Staatssekretärin kämpft um die Égalité.

Von Nadia Pantel

Marlène Schiappa gehört zu den Menschen, die von sich selbst sagen, dass es für sie weder Urlaub noch Wochenende gebe. Sie war 34 Jahre alt, als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sie 2017 zur Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter machte. "Die Leute dachten, da kommt eine junge Frau ohne Erfahrung, dabei arbeite ich seit mehr als zehn Jahren wie eine Verrückte."

Nun, zwei Jahre später, ist Schiappa deutlich bekannter als die meisten Minister der Regierung Macron. Das liegt weniger daran, dass Macron die Gleichstellung der Geschlechter zu einem der zentralen Anliegen seiner Amtszeit erklärt hat, als daran, dass Schiappa sich lautstark in alle Debatten des Landes einmischt. In dieser Woche empfängt sie Gleichstellungsbeauftragte aus der ganzen Welt, um das Treffen der G 7 im August in Biarritz vorzubereiten. Schiappa fährt mit den Gästen in die Banlieue und besucht Unternehmerinnen. Ein Programm, das zu ihr passt und zu Macron: Arbeit als Motor der Emanzipation.

Schaut man sich Schiappas Biographie an, findet man viele Parallelen zu ihrer politischen Arbeit: vorpreschen statt zögern, aus persönlichen Erlebnissen grundsätzliche Forderungen ableiten, Widersprüche in Kauf nehmen.

Schiappa ist die älteste von drei Töchtern und wächst in einer Sozialwohnung im Pariser Norden auf, in dem Einwandererviertel Belleville. Der Vater ist ein linker Historiker, der so oft von Trotzki spricht, dass die junge Schiappa diesen für einen Freund der Familie hält und fragt, wann Trotzki zum Essen vorbeikomme. Die Mutter ist Lehrerin. Zu Hause fehlt es an Geld, aber nie an Diskussionsstoff. Schiappa geht mit auf Demonstrationen - und früh ihren eigenen Weg. Mit 17 bewirbt sie sich bei der Polizei (und macht dann doch einen Rückzieher), mit 19 heiratet sie und lässt sich nur ein paar Wochen später scheiden. Mit 23 bekommt sie ihre erste Tochter.

Zu Hause hat sie brav alle feministischen Grundsatzschriften von Simone de Beauvoir bis Virginia Woolf gelesen. Nun stellt sie fest, dass die Theorie einer Frau wenig hilft, wenn in der Praxis der Krippenplatz fehlt und im Job alle Meetings auf 18 Uhr gelegt werden, wenn die Tagesmutter Feierabend macht. Schiappa kündigt ihren Job in einer Werbeagentur und beginnt einen Blog für arbeitende Mütter. Schnell lesen täglich Tausende "Maman travaille". Ihren Abschluss in Kommunikationswissenschaft macht sie in Abendkursen, parallel schreibt sie Romane, Sachbücher und unter Pseudonym auch Erotikhefte. Als sie 32 Jahre alt ist, überzeugt der sozialistische Bürgermeister von Le Mans sie, in die Politik zu gehen. 2017 schließt sie sich Macron an und unterstützt seine Präsidentschaftskampagne.

Bis heute gehört Schiappa stets zu den Allerersten, die für den Präsidenten in die Bresche springen. Der lohnt ihr die Loyalität eher mit Worten als mit Taten. Ihr Budget für Fragen der Gleichstellung beträgt 0,0007 Prozent des Gesamthaushalts. Doch Macron nennt sich einen "spät bekehrten Feministen".

Schiappas bislang größter Erfolg ist ein Gesetz gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Innerhalb von acht Monaten wurden laut der Staatssekretärin 450 Strafen vollstreckt.

Wie beinahe alles, was sie tut, ist auch dieses Gesetz umstritten. Konservative fürchten um "die französische Galanterie". Dabei ist Schiappa in ihrem ultrafemininen Auftreten der beste Beweis dafür, dass Gleichstellung der Geschlechter etwas völlig anderes ist als Gleichmachen der Geschlechter. Die aufgeregten Debatten um Schiappa kommen auch dadurch zustande, dass Frankreich zu wenige ihrer Art kennt: Frauen, die im politischen Leben offensiv Raum einnehmen. Konservative finden Schiappa zu provokativ, Feministinnen finden sie zu lasch. Sie selbst nimmt sich heraus, was männlichen Politikern schon lange zusteht: das Recht, auch mal danebenzuliegen.

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