Profil:Marion Ackermann

Beklaute Hüterin von Sachsens Schatzkammer.

Von Catrin Lorch

Profil: undefined
(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Ihr Satz "Wir wähnten uns sicher" hat das Potenzial, zum geflügelten Wort zu werden in diesen Tagen. Nach dem wohl spektakulärsten Raub in einem deutschen Museum war es an Marion Ackermann, vor Kameras und Mikrofonen irgendwie die Fassade zu wahren - nachdem die Videobilder gezeigt hatten, wie Einbrecher mit Feuer, Flex und Axt die Sicherheitstechnik überwunden hatten. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verzichtete auf Schuldzuweisungen, beispielsweise gegenüber ihrem Vorgänger, der die Sicherheitslage prahlerisch mit Fort Knox verglichen hatte.

Stattdessen wies Marion Ackermann lebensklug darauf hin, dass es eben "keine hundertprozentige Sicherheit gibt", und erklärte geduldig, was den Juwelenschatz des Barockherrschers August des Starken auszeichnet; nicht ohne fast augenzwinkernd darauf hinzuweisen, dass der Schmuck zu dessen Lebzeiten offen auslag, inmitten von raffinierten Spiegeln, die sein Funkeln noch vervielfachten. Auch wenn die Hüterin der Schatzkammer Sachsens nicht viel mit Gemmologie zu tun hatte, als sie vor drei Jahren die Leitung der Staatlichen Kunstsammlungen übernahm, so könnte es unter ihren Kollegen kaum einen geben, der so überzeugend gleichermaßen betroffen wie besonnen auftreten kann.

Die im Jahr 1965 in Göttingen geborene Marion Ackermann lebte als Kind auch in Ankara und ging als Kunsthistorikerin zunächst nach München, wo sie an der Akademie lehrte und im Lenbachhaus arbeitete. Sie gilt als Ausnahmetalent, seit sie im Jahr 2003 als bis dahin jüngste Direktorin Deutschlands in Stuttgart berufen wurde, wo sie die Städtische Galerie in ein beachtetes Museum verwandelte. Schon sechs Jahre später wechselte sie an die Kunstsammlungen Nordrhein-Westfalen, eine der schönsten und reichsten Kollektionen der Moderne und Nachkriegskunst hierzulande. Dort schien sie in ihrem Element zu sein, hatte sie doch über Wassily Kandinskys biografische und theoretische Schriften promoviert. Doch Marion Ackermanns Ziel waren nicht nur Blockbuster-Ausstellungen zu den bekannten Meistern. Sie bemühte sich um eine Erweiterung des Kanons, zeigte und kaufte gezielt die Kunst von Frauen und besetzte ihr Team divers.

Das muss den Dresdner Kulturbehörden aufgefallen sein, die der dem 20. und 21. Jahrhundert verpflichteten Ackermann im Jahr 2016 einen Museumsverbund anvertrauten, dem in Deutschland nur Berlin und München auf Augenhöhe begegnen können: Insgesamt 14 Häuser gehören dazu, darunter sind auch die Sammlungen des Residenzschlosses und des Zwingers, Albertinum, Rüstkammer, Japanisches Palais und - eben auch - das Grüne Gewölbe, in dem die Juwelen verwahrt waren. Bei der Berufung litten die Museen allerdings an Besucherschwund, nachdem Bilder von Pegida-Demonstrationen und rassistischen Ausschreitungen in Dresden Touristen vergraulten.

In dieser Situation predigte die international vernetzte Kuratorin nicht nur Weltoffenheit und Dialogbereitschaft. Noch bevor sie ein Symposium zur Museumskultur einberief, setzte sie sich in einen Kleinbus und besuchte sächsische Handwerker, Weber, Uhrenbauer oder Werkstätten für Blaudruck. Zudem verlangte sie von ihren Kollegen, sich der Kunstgeschichte der DDR-Zeit "mit frischem Blick" zuzuwenden, ließ ostdeutsches Design erforschen und besetzte die Stelle eines Archivars mit einem Kurator, der in Brasilien gerade von der rechtsgerichteten Regierung gefeuert worden war.

Politisch hat Marion Ackermanns seither viele Angriffe überstehen müssen. Doch ganz gleich, ob der Verlust der Juwelen sich in ein- oder zweistelligen Millionensummen beziffern lassen wird - ihr diplomatisches Geschick wird jetzt erst wirklich auf die Probe gestellt werden. Für die auf Ewigkeit angelegte Institution Museum ist ein solcher Verlust das größte Trauma.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: