Profil:Marcus Weinberg

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(Foto: Romy Oberender/OH)

Der konziliante CDU-Mann soll das Hamburger Bürgermeister-Amt erobern.

Von Thomas Hahn

Am Montagabend kamen die neuesten Zahlen zu den politischen Verhältnissen in Hamburg. Und der CDU im Stadtstaat muss dabei wieder deutlich geworden sein, dass sie für die nächste Bürgerschaftswahl im Februar 2020 eine Art konservativen Superhelden braucht, der sie aus dem Tief hebt. Nach der Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag des NDR vornahm, liegt die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher mit 31 Prozent Stimmenanteil zwar um 14,6 Prozentpunkte hinter ihrem Ergebnis der Bürgerschaftswahl vor vier Jahren, als noch Olaf Scholz Bürgermeister war. Aber weil die Grünen auf 22 Prozent kommen, macht das Regierungsbündnis einen stabilen Eindruck. Die CDU dagegen: 17 Prozent. Mager, wie gehabt. Ein Fall für Marcus Weinberg?

Über Weinberg, 51, den ehemaligen Lehrer und jetzigen familienpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus Altona, redet man in Hamburgs politischen Kreisen jedenfalls gerade so, als habe sich die Union schon auf ihn als nächsten Bürgermeister-Kandidaten festgelegt. Informationen des Abendblatts sind die Quelle, wohlwollende Reaktionen auf die mutmaßliche Entscheidung liegen schon vor. "Spekulation" hält der Landesparteivorsitzende Roland Heintze tapfer dagegen. Auch Marcus Weinberg selbst sagt nichts. Aber was soll man machen? Der Name ist raus, und nachdem die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste von ihrer Kandidatur, erscheint es durchaus logisch, dass Weinberg in den Ring steigt.

Denn auch wenn Weinberg keine Muslimin türkischer Abstammung ist - wie Özkan steht er für eine liberale Auslegung konservativer Politik, mit der moderne Koalitionen wie Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb-Grün möglich erscheinen.

"St. Pauli-Fan wird CDU-Chef", titelte die Morgenpost, als der Bildungsexperte Weinberg 2011 nach einer Mitgliederbefragung als neuer Landesparteivorsitzender feststand. Sympathien für den eher linken Kiez-Fußballklub passen eigentlich nicht zu einem konservativen Geist. Außerdem lebt Weinberg, einst Zeitsoldat in einem Panzerartilleriebataillon, als Vater eines Sohnes in wilder Ehe. In seiner Partei ist Weinberg bekannt für ausgleichende Positionen. Die CDU Hamburg ist für Kopftuchverbot und die Räumung des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora. Weinberg nicht. Und in Hamburgs schwarz-grüner Koalition von 2008 bis 2010 kämpfte er mit der grünen Bildungssenatorin Christa Goetsch gegen Parteifreunde für die sechsstufige Grundschule, die dann am Bürgerwillen scheiterte.

Gesucht wird bei der CDU ein Bürgermeisterkandidat, der neue Machtoptionen eröffnet. Da hilft es schon sehr, dass Weinberg, Kapitän der Bundestags-Fußballauswahl, für ein Weltbild steht, das freundlicher wirkt als der strenge Stil der aktuellen CDU-Bürgerschaftsfraktion. Der Welt hat er im Sommer 2018 zum Thema Verkehrspolitik gesagt: "Wo sich heute noch Autokorsos durch die Stadt schlängeln, könnten in der Zukunft Wohnungen, Parks und Erholungsoasen entstehen." Klingt grün. Der grüne Fraktionschef Anjes Tjarks lobt Weinberg prompt als "angenehmen Menschen, mit dem man sich sachlich auseinandersetzen kann". Aber reicht ein bisschen Sympathie, um den Eindruck zu verwischen, dass die Hamburger CDU vor allem mit ihren Haltungen zur inneren Sicherheit potenziellen AfD-Wählern gefallen will?

Vor vier Jahren konnte Marcus Weinberg als Landesparteichef keine siegbringenden Impulse setzen, als die CDU mit dem ebenfalls eher liberalen Spitzenkandidaten Dietrich Wersich gegen den starken SPD-Bürgermeister Olaf Scholz antrat. 15,9 Prozent. Danach trat Marcus Weinberg zurück. Sollte er Ende März tatsächlich als Bürgermeisterkandidat benannt werden, wird er erst mal klarstellen müssen, wofür die CDU in Hamburg eigentlich steht.

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