Profil:Luigi Brugnaro

Luigi Brugnaro

Luigi Brugnaro, Neuer Bürgermeister von Venedig, der ausmisten und dann gehen will.

(Foto: oh)

Neuer Bürgermeister von Venedig, der ausmisten und dann gehen will.

Von Oliver Meiler

Auf einer der suggestivsten Bühnen Italiens, im schönen und umspülten Venedig, spielt ein viel beachtetes politisches Stück. Manche sehen in der Wahl des neuen Bürgermeisters der Stadt sogar das Symbol einer Zeitenwende. In der Hauptrolle tritt der 53-jährige Luigi Brugnaro auf, ein reicher Unternehmer, Betreiber einer Stellenvermittlung mit 600 Mitarbeitern, nebenbei Präsident und Besitzer des örtlichen Basketballvereins Reyer Venezia. Er redet nicht so hölzern, wie das Politiker tun. Manchmal kippt sein direkter Stil auch ins Vulgäre. Doch Etiketten scheinen Brugnaro nicht zu kümmern. Er sei né di destra, né di sinistra, sagt er - weder rechts noch links. Wo er genau steht, weiß niemand. Gewonnen hat er die Lokalwahl am Wochenende trotzdem. Oder wohl gerade deshalb.

Brugnaro beendete die mehr als 20-jährige Vorherrschaft der Linken in Venedig fast im Alleingang - als Kandidat aus der Gesellschaft, mit einem selbstfinanzierten Wahlkampf. Seine Wahlliste, die zusammengeschusterte Lista Brugnaro, wurde über Nacht zur stärksten Formation im Gemeinderat: 18 von 36 Sitzen. Zusätzlich kann Brugnaro dort auf bürgerliche und rechtspopulistische Parteien bauen, die ihn in Ermangelung eines eigenen starken Bewerbers unterstützt hatten. Der neue Sindaco duldet sie bestenfalls, hält sich selber aber für deren Seniorpartner. Zu Recht. Forza Italia, die Partei von Silvio Berlusconi, die sich gerne mit dem Sieg Brugnaros schmücken würde, brachte es auf drei Prozent der Stimmen.

Venedig ist nur ein Beispiel für den Trend zum unkonventionellen Wählen, den man bei den jüngsten Kommunalwahlen im ganzen Land beobachten konnte. In Sizilien etwa gewann die Protestbewegung Fünf Sterne alle fünf Stichwahlen, an denen sie teilgenommen hatte. In den meisten Fällen verlor der in Rom regierende Partito Democratico von Premierminister Matteo Renzi die Wahlen. Die Partei bezahlt wohl für einige unpopuläre Reformen des jungen Regierungschefs und die immer neuen Enthüllungen zu Mafia Capitale, einem düsteren römischen Syndikat, an dem auch linke Politiker beteiligt waren.

Dem sieggewohnten Renzi bleibt wenig übrig, als die Niederlagen einzugestehen. Doch ausgerechnet die schmerzhafteste von allen - jene in Venedig eben - birgt für ihn auch einen Hoffnungsschimmer. Der PD war nämlich mit Senator Felice Casson angetreten, einem berühmten ehemaligen Staatsanwalt, der dem Renzi-kritischen, radikallinken Flügel der Partei angehört. Brugnaro hingegen offenbarte sich als Sympathisant des linken Premiers, ganz pragmatisch: "Ich mag Renzi. Die Renzianer sollten sich über meine Wahl freuen", sagte er. Da geraten viele alte Gewissheiten durcheinander.

Lange will Brugnaro nicht bleiben. "Ich miste aus, bringe die Konten in Ordnung", sagt er, "dann werde ich wieder Unternehmer und übergebe an Jüngere." Man wähnt sich fast an Berlusconi erinnert, der auch mal so redete.

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