Süddeutsche Zeitung

Profil:Louisa Hanoune

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Die Chefin der algerischen Arbeiterpartei fand sich plötzlich in Haft wieder.

Von Dunja Ramadan

Schnellen Schrittes lief Louisa Hanoune auf das Militärgericht in der algerischen Stadt Blida zu, das sich mit seinen imposanten Säulen vor ihr aufbaute. Sie trug nur eine kleine Umhängetasche mit sich, als sie die Treppen emporstieg. Schließlich hatte sie auch nicht vor, länger zu bleiben. Diese Bilder des algerischen Fernsehens machen nun viele Menschen im Land nervös. Denn die Generalsekretärin der Arbeiterpartei ist an jenem 9. Mai vorläufig festgenommen worden. Eigentlich sollte die 65-Jährige als Zeugin aussagen gegen die berüchtigten Ex-Geheimdienstchefs und Generäle Othmane Tartag und Mohamed Mediène sowie gegen Abdelaziz Bouteflikas Bruder Saïd. Sie gehörten jahrelang dem innersten Machtzirkel um Algeriens Ex-Präsident Bouteflika an, der Anfang April nach wochenlangen Protesten zurückgetreten war. Seit einigen Wochen sitzen die Männer in Untersuchungshaft, ihnen wird unter anderem Verschwörung gegen den Staat vorgeworfen.

Warum nun auch Louisa Hanoune verhaftet worden ist, wurde von offizieller Seite nicht mitgeteilt. Mitglieder ihrer Arbeiterpartei führen die Festnahme auf ihre politischen Positionen zurück. Auch viele andere Oppositionspolitiker sehen darin einen Einschüchterungsversuch seitens des mächtigen Militärs, dessen Rolle Hanoune wenige Tage zuvor kritisiert hatte, allen voran die des Generalchefs Ahmed Gaïd Salah. So hatte sie seine Forderung zurückgewiesen, einen Dialog zur Lösung der politischen Krise im Land zu führen. Hanoune warf ihm vor, sich in politische Angelegenheiten einzumischen, was gegen die Verfassung verstoße.

Tausende Algerier fordern in den Straßen von Algier nun ihre Freilassung. Seit dem Sturz von Bouteflika inszeniert sich das Militär als Mittler zwischen Vertretern des alten Regimes und dem Willen der Demonstranten. Das Problem: Hochrangige Militärmitglieder waren jahrzehntelang wichtige Gefolgsleute von Bouteflika. Deshalb fordern die Demonstranten ein Ende des gesamten Systems, das jahrelang aus einem Dickicht von Armee, Geheimdienst, Politikern und Geschäftsleuten bestand. Auch Hanoune unterstützte die jüngsten Massenproteste gegen die Einflussnahme des Militärs sowie gegen den Übergangspräsidenten Abdelkader Bensalah.

Für die Juristin ist dies nicht die erste Verhaftung. In einer Bauernfamilie im Osten Algeriens aufgewachsen, begann sie ihre politische Karriere als Frauenrechtlerin und wurde 1988 als Mitglied der trotzkistischen Sozialen Arbeiterorganisation mehrmals von der Regierung verhaftet. 1990 gründete Hanoune daraus die Arbeiterpartei "Parti des Travailleurs" und kandidierte 2004 als erste Frau in der arabischen Welt für das Präsidentschaftsamt. Es folgten zwei weitere Versuche, bei denen sie jedes Mal gegen Bouteflika verlor. In Algerien nannte man sie fortan "Eiserne Lady". Nach der Wahl von 2009, bei der Bouteflika mehr als 90 Prozent der Stimmen gewann, sprach Hanoune von Wahlfälschungen im großen Stil.

Hanoune, die in Algerien als charismatische Rednerin geschätzt wird, setzte sich als Parlamentarierin für eine Versöhnungspolitik ein. In ihrem 1997 erschienenen Buch "Terroristen fallen nicht vom Himmel" beschrieb sie den Bürgerkrieg nicht etwa als rein ideologischen Konflikt zwischen Islamisten und dem Militärregime, sondern auch als einen Kampf um Macht und Einnahmequellen.

Louisa Hanounes Verhaftung wird deshalb von einer breiten gesellschaftlichen und politischen Schicht kritisiert. In einer Petition fordern viele ihre sofortige Freilassung. Angesichts des undurchsichtigen Vorgehens des Militärs befürchten sie eine Konterrevolution. Auch die Liga zur Verteidigung der Menschenrechte übte Kritik: Mit der Verhaftung von Louisa Hanoune scheinen wieder alle Wege zu "allen Szenarien und Exzessen" offen zu sein. Bereits am 4. Juli soll ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt werden.

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SZ vom 17.05.2019
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