Profil:Lee Berger

South Africa Homo Naledi Prof Lee Burger

Lee Berger, Paläoanthropologe mit Glück bei der Suche und Sinn für Inszenierung.

(Foto: Brett Eloff/Wits University)

Paläoanthropologe mit Glück bei der Suche und Sinn für Inszenierung.

Von Christian Weber

Der Beruf des Paläoanthropologen kann ein sehr harter sein. Manche Forscher in dieser Disziplin verbringen viele Jahre ihres Lebens an sehr unwirtlichen und heißen Orten dieses Planeten, scharren im Sand, und nur wenn sie Glück haben, finden sie tatsächlich die Überreste eines frühen Menschen, meist nur ein paar Knochenfragmente. Den Rest ihres Lebens untersuchen sie dann ihren Fund im Labor. Am Ende steht eine Publikation, die dazu führt, dass irgendein Ästchen im mittlerweile überaus komplexen Stammbaum des Menschen neu ausgerichtet wird. Insofern verwundert es nicht übermäßig, dass manche Wissenschaftler Lee Berger eher anstrengend finden, auch wenn er diese Woche wieder eine neue Menschenart vorgestellt hat. "Großmaul der Feldforscher" nannte ihn ein Kollege einmal im Wissenschaftsmagazin Science .

Der Paläoanthropologe und Archäologe Berger von der Universität Witwatersrand in Johannesburg, 1965 in Kansas geboren, bricht mit mancher Konvention. Es fängt schon mit seinem Auftreten an, gerne lässt er sich in Indiana-Jones-Montur mit Hut und Lederjacke fotografieren. Forsch sind auch manche seiner Thesen, etwa als er 1996 das berühmte äthiopische Fossil Lucy einfach "aus dem menschlichen Stammbaum hinausschmeißen" wollte. Heute bestreitet auch Berger nicht mehr, dass dieses weibliche Individuum aus der Gattung Australopithecus afarensis tatsächlich zu den direkten Vorfahren von Homo sapiens gehört. Aber immer noch verficht er die umstrittene These, dass Südafrika wichtiger für die menschliche Entwicklung war als Ostafrika, wo sich die berühmten Fundstätten der Paläoanthropologie befinden.

Vielleicht aber sind manche Kollegen auch einfach ein bisschen neidisch angesichts der Erfolge des umtriebigen Forschers. Einen seiner wichtigsten Funde machte Berger im August 2008 , als er mit Sohn und Hund in der Nähe von Malapa, westlich von Johannesburg, unterwegs war. Er entdeckte erste Knochen einer neuen Spezies, die auf ein Alter von zwei Millionen Jahre geschätzt wurde und auf den Namen Australopithecus sediba getauft wurde. Später fand sein Team zahlreiche Knochen von zwei Individuen, darunter die Überreste einer feingliedrigen und vermutlich motorisch sehr ausgereiften Hand einer etwa 30-jährigen Frau. Berger sah in ihr einen Beleg für seine Südafrika-These: Australopithecus sediba sei der letzte noch affenartige Vorfahre des modernen Menschen gewesen, nicht Homo rudolfensis aus Ostafrika. Sein Fund schaffte es auf das Cover von Science.

Wie selbstbewusst Lee Berger mittlerweile ist, zeigte sich diese Woche, als er gemeinsam mit seinem Forscherteam die Entdeckung einer weiteren Menschenart aus Südafrika meldete. Er verzichtete auf Science und Nature, die seine Entdeckung vermutlich gerne publiziert hätten. Stattdessen stellte er Homo naledi im mäßig bekannten, frei zugänglichen Internet-Magazin eLife vor und zeitgleich für die Laien in der Zeitschrift National Geographic. "Er ist halt sehr offen und kommunikativ", sagt Friedemann Schrenk vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. "Und dass er frei zugänglich publiziert hat, ist ein wichtiges Zeichen für die Demokratisierung dieser Wissenschaft."

Das zeigte sich auch bei der Untersuchung der neuen Funde, die ja erst in den Jahren 2013 und 2014 gemacht wurden. Normalerweise braucht ein Paläoanthropologe schon mal zehn und mehr Jahre, bis er ein bedeutendes Fossil geborgen, präpariert und analysiert hat. Der Forscher Ron Clarke etwa werkelt seit 1997 an einem Australopithecus-Skelett. Lee Berger hingegen setzte aufs Kollektiv. Er ließ die 1550 Knochenteile durch zwei Expeditionen in nur wenigen Wochen bergen. Die Analyse erledigten 50 Paläoanthropologen in einem wissenschaftlichen Workshop. Schon nach einem Jahr war das Ergebnis da. Ein unkonventionelles Vorgehen, das Lee Bergers Ruf guttun wird.

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