Profil:Larry Fink

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(Foto: Justin Chin/Bloomberg)

Der Großinvestor fordert von den Firmen mehr gesellschaftliches Engagement.

Von Claus Hulverscheidt

Um als Konzern dauerhaft erfolgreich zu sein, so hat ein Kritiker des Raubtierkapitalismus dieser Tage sinniert, reicht es heute nicht mehr, die richtigen Produkte zu haben und Gewinne zu erzielen. Ein Unternehmen muss vielmehr auch beweisen, dass es um seine gesellschaftlich-soziale Verantwortung weiß. Dass es die Nöte der Menschen und strukturelle Trends kennt, "von langsamen Lohnzuwächsen über die zunehmende Automatisierung bis zum Klimawandel". Kurzum: dass es einem "Zweck" dient, der über die kurzfristige Profitmaximierung hinausgeht.

Das eigentlich Interessante an diesen Überlegungen ist, dass sie nicht von Martin Schulz oder Sahra Wagenknecht stammen, sondern vom vermeintlichen Raubtier selbst: Laurence, genannt Larry, Fink, der Chef des weltgrößten Finanzinvestors Blackrock, hat sie in einem Brief an die Vorstandsvorsitzenden jener Weltkonzerne formuliert, an denen seine Firma beteiligt ist. Und das sind beinahe alle, von Apple bis Siemens, von Ford bis Deutsche Bank. Millionen Kunden haben Fink ein Vermögen von insgesamt sechs Billionen Dollar anvertraut, das Blackrock in Aktien und anderen Wertpapieren anlegt. Von der "heimlichen Weltmacht" ist oft die Rede oder vom "schwarzen Riesen".

Dass der Finanzindustrie nicht der beste Ruf vorauseilt, hat sie sich vorwiegend selbst zuzuschreiben. So verkauften viele Banken Produkte an ihre Kunden, mit denen diese dann Haus und Hof verspielten. Hochspekulative Hedgefonds verdienten kräftig an abstürzenden Börsenkursen, aggressive Beteiligungsgesellschaften filetierten Traditionsbetriebe. Auch Fink war in jungen Jahren maßgeblich an der Entwicklung jener Wertpapierkonstrukte beteiligt, die 2008 die Weltfinanzkrise auslösten. Er selbst verspekulierte sich schon 1986 kräftig und bescherte seinem damaligen Arbeitgeber First Boston einen Verlust von 100 Millionen Dollar.

Das kostete Fink den Job, brachte den heute 65-Jährigen aber auch ins Grübeln. Er besann sich auf die Zeit, als er im Schuhgeschäft seiner Eltern mitarbeiten musste, und schwor sich, nur noch Produkte zu kaufen, die er wirklich versteht. Heute ist es wohl diese Strategie, die den Erfolg von Blackrock ausmacht. Fink gilt dabei als einer, der sich aus dem Tagesgeschäft der Firmen, in die er investiert hat, meist heraushält. Zugleich aber mahnt er die Vorstandsbosse seit Jahren dazu, längerfristig zu denken und gesellschaftliche Trends nicht aus den Augen zu verlieren. Firmenchefs, die das nicht verstehen, empfängt der "mächtigste Mann der Wall Street", wie ihn manche nennen, auch gerne einmal zum persönlichen Gespräch.

Man kann davon ausgehen, dass Finks Ansatz kein rein sozialer ist, sondern dass es ihm vielmehr darum geht, Rahmenbedingungen zu erhalten, die "seinen" Unternehmen dauerhaftes Wachstum und größtmögliche Profite ermöglichen. Deshalb können den gebürtigen Kalifornier, der unter einer Präsidentin Hillary Clinton womöglich US-Finanzminister geworden wäre, die zunehmende gesellschaftliche Spaltung und der Aufstieg populistischer Politiker in Teilen der Welt nicht kaltlassen. 2017, so schreibt er in seinem jüngsten Brief an die Vorstandschefs, sei ein hervorragendes Börsenjahr gewesen - und dennoch seien der Frust und die Zukunftsangst vieler Menschen weiter gewachsen: "Wir erleben ein Paradox aus hohen Gewinnen und großer Ängstlichkeit."

Gleichzeitig, so Fink, scheiterten viele Regierungen an der Aufgabe, ihre Bürger und Sozialsysteme auf die Automatisierung und die vielen anderen Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Ergebnis sei, dass Unternehmen in die Bresche springen und verstärkt gesellschaftliche Aufgaben übernehmen müssten.

Der Privatsektor soll also, schon aus Geschäftsinteresse, einspringen, wo der öffentliche Sektor versagt: Der Ansatz zeigt, dass Fink mitnichten zum Sozialismus konvertiert ist, sondern im Herzen Kapitalist bleibt - wenn auch wohl kein Raubtierkapitalist.

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