Profil:Khalida Popal

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(Foto: AFP)

Die Pionierin im afghanischen Frauenfußball kämpft für ihre Spielerkolleginnen.

Von Mareen Linnartz

Der Moment, in dem sie zum ersten Mal einen Ball nahm, ihn auf den steinernen Boden legte und dann dagegen trat, liegt für Khalida Popal heute in ferner Vergangenheit. Aber sie erinnert sich noch an den "großen Spaß", den sie sofort hatte, und daran, wie sie mit ein paar Freundinnen anfing, auf einem mit hohen Mauern umgebenen Schulhof zu kicken. Bloß nicht laut jubeln! Kabul im Jahr 2004 ist kein guter Ort für junge Fußballerinnen. Als Popal und ihr Team professioneller werden wollen und nach einem Trainingsgelände Ausschau halten, werden sie mit Müll beworfen und mit unflätigen Worten bedacht. Platz und Schutz bietet schließlich ein Nato-Gelände - zumindest solange keine Hubschrauber dort starten oder landen. Damals lernt Khalida Popal ihre erste Lektion: In ihrem Heimatland ist Frauenfußball nicht einfach nur ein Sport. Sondern eine Provokation.

Heute, ein halbes Leben später, hat Khalida Popal einen Skandal mit aufgedeckt, der nicht nur den örtlichen Fußballverband, sondern das ganze Land erschüttert und ihr weltweite Solidaritätsbekundungen einbringt. Nachdem sie 2007 die erste Kapitänin im neu gegründeten afghanischen Frauennationalteam war, ist sie inzwischen die Teammanagerin. Eine Knieverletzung beendete ihre aktive Karriere. Popal hat öffentlich gemacht, was Spielerinnen ihr anvertrauten: Im vergangenen Februar sollen in einem Trainingslager in Jordanien mindestens fünf von ihnen von zwei Funktionären sexuell missbraucht worden seien. Der Präsident des afghanischen Fußballverbandes, Keramuddin Karim, soll zudem selbst über Jahre Spielerinnen zum Teil mit Waffen bedroht und sexuell genötigt haben - unter anderem in einem geheimen Zimmer hinter seinem Büro, das er mit einem Fingerabdruck-Scanner öffnen kann.

Die Vorwürfe, die die Spielerinnen noch einmal gegenüber dem britischen Guardian bekräftigten, sind so schwerwiegend, dass die Fifa Karim nun bis Mitte März suspendiert und die afghanische Generalstaatsanwaltschaft gegen ihn und vier weitere Fußballfunktionäre Ausreisesperren verhängt hat. Karim äußerte sich vergangene Woche erstmals: Nichts davon sei wahr, alles wilde Gerüchte, die sich auflösen würden und in deren Zentrum nur eine stünde: Khalida Popal.

Die 31-Jährige sagt am Telefon, Karim sei "ein Mann mit ungeheurer Macht", ehemaliger Provinzgouverneur, ehemaliger Stabschef im Verteidigungsministerium, ein Mann mit weitverzweigten Kontakten. Seine Aussagen wunderten sie nicht, aber sie fürchte nichts. Denn im Gegensatz zu den betroffenen Spielerinnen, die alle noch in Afghanistan lebten und die aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Familie nicht wagten, an die Öffentlichkeit zu gehen, könne sie sich weiterhin frei äußern. 2011 ist Khalida Popal aus ihrem Heimatland geflohen, die Morddrohungen wurden zu massiv. Heute lebt sie in Dänemark und versucht mit ihrer Organisation "Girl Power", vor allem geflüchteten Frauen über Sportangebote zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Popal hat selbst Monate in einem Auffanglager zugebracht, musste sich wegen Depressionen behandeln lassen, hatte das Gefühl, alles verloren zu haben.

Es ist sehr lange her, dass Khalida Popal gegen einen alten Fußball getreten hat - einfach so, aus Spaß. Sie hat einen hohen Preis gezahlt für den Sport. Aber sie ist daran gewachsen. Wer heute Aufnahmen von ihren Reden anschaut, die sie auf der ganzen Welt hält, sieht eine junge Frau, die hoch konzentriert wirkt und ungeheuer unter Strom zu stehen scheint. Dennoch plagen sie Albträume. Sie wird nach wie vor bedroht. Am Telefon bricht ihre Stimme bei der Frage nach ihrem größten Wunsch: nach Afghanistan zurückzukehren. "Ich liebe meine Heimat. Ich denke jeden Tag daran." Dann schnell Themawechsel. Im Frauennationalteam spielte sie als Verteidigerin. Seitdem hat sie verinnerlicht: Zurückzuweichen ist keine Option.

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