Profil:Juliette Gréco

'Juliette GRECO', Konzert im Friedrichstadt Palast, Berlin, 16.11.2015; greco

Julitte Gréco, die Grande Dame des Chansons, die nun in Berlin ihren Abschied gab.

(Foto: POP-EYE)

Grande Dame des Chansons, die nun in Berlin ihren Abschied gab.

Von Joseph Hanimann

Die Annäherung aus dem Süden an Paris war zaghaft, dann aber dauerhaft. Das 1927 in Montpellier geborene, dann zunächst bei Bordeaux aufgewachsene Mädchen kam mit seiner Mutter und seiner Schwester zehnjährig in die französische Hauptstadt. Wiederum zehn Jahre später, während denen die im Widerstand engagierte Mutter und die Schwester 1943 nach Ravensbrück deportiert worden waren, wurde Juliette Gréco im befreiten Paris allmählich zu einer Symbolfigur. Symbol für das, was von den Attentätern am vergangenen Freitag gerade aufs Neue hätte zerschossen werden sollen.

In Cabarets und Jazz-Kellern zwischen Montparnasse, Saint-Germain-des-Prés und Quartier Latin wuchs sie als junge Sängerin und Schauspielerin in die existenzielle Lebensgier der endlosen Nächte und in das politische Engagement hinein. Literaten wie Albert Camus, Sartre, Simone de Beauvoir und Jean Cocteau waren die Paten im Hintergrund. 1947 machte in Paris das Cabaret "Le Tabou" auf, für das die Schwarzhaarige im schwarzen Kleid mit den dunklen Mandelaugen und der samtig rauen Stimme bald zur Galionsfigur wurde. Mit Liedern von Jacques Prévert, Raymond Queneau, Boris Vian trat sie bald auch an anderen Orten auf. Zu Sartre unterhielt sie eine enge Beziehung, Cocteau bot ihr eine Rolle im Film "Orphée" an. Nach ihrer ersten Platte 1951 mit "Je suis comme je suis" kamen bald auch die ersten Erfolge in Amerika, Filmemacher wie Orson Welles interessierten sich für sie.

Mehr als die anderen großen Figuren des reichen französischen Chansons der Sechzigerjahre pflegte Juliette Gréco in Auftritten, Gestus und Repertoire die Bindung an die Stadt Paris, ja an bestimmte Quartiere. Gleichzeitig setzte sie sich aber früh schon für den Durchbruch neuer, kaum jüngerer oder sogar älterer Talente ein wie Léo Ferré oder Serge Gainsbourg, der für sie "La Javanaise" schrieb. Dass das Dunkle in ihrem Erscheinungsbild nicht nur Attitüde, sondern auch ein Wesenszug war, zeigte ein Selbstmordversuch, der bald vom Leben als Traumpaar zusammen mit Michel Piccoli überstrahlt wurde.

Tausende von Zuschauern jubelten ihr - so wie nun bei ihrem Abschiedskonzert quer durch Deutschland - schon 1967 in Berlin zu, wo das "Chanson des Vieux Amants" von Jacques Brel aus ihrem Mund den Klang der Unvergänglichkeit streifte. Der künstlerische Hochseilakt zwischen forschem individuellem Unabhängigkeitsdrang, kämpferisch politischer Entschlossenheit und Anflügen von Melancholie waren stets das Wahrzeichen dieser Sängerin. So fulminant die Karriere aber zu strahlen begonnen hatte, so früh dämmerte sie seit den Siebzigerjahren allmählich wieder ab - ohne je zu verglühen. Vom Wunderkind wurde aus Juliette Gréco schnell die Grande Dame des Chansons, bis heute. Es ist, als sänge sie bei ihren Auftritten die immer wieder neu erscheinenden Lieder im bewegenden Eigenecho einer langen Geschichte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: