Profil:Juan Guaidó

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(Foto: AFP)

Der einstige Hoffnungsträger in Venezuela enttäuscht viele.

Von Christoph Gurk

Als Lateinamerika in Flammen stand, versuchte auch Juan Guaidó noch einmal sein Glück. Es war Mitte November 2019, in Ecuador hatten ein paar Wochen zuvor Demonstranten erfolgreich gegen die Regierung aufbegehrt, in Chile lieferten sich Menschen seit Wochen Straßenschlachten mit der Polizei und in Bolivien hatte die Opposition in nur knapp drei Wochen Evo Morales aus dem Amt gejagt, nach einer fast 14 Jahre währenden Präsidentschaft. Es wehte also der Wind des Wandels über den Kontinent - wieso sollte dieser nicht auch in Venezuela die Glut des Widerstands neu entfachen?

Guaidó rief zu Demonstrationen auf. Im ganzen Land sollten die Menschen auf die Straße gehen, gegen die Regierung von Nicolás Maduro, gegen Korruption, gegen Wahlbetrug, folternde Polizisten, leere Regale und fehlende Medikamente. Fast fünf Millionen Menschen waren da schon vor Hunger und Not aus dem Land geflohen, ein Sechstel der Bevölkerung, es ist die größte Fluchtbewegung, die Lateinamerika je gesehen hat. Gründe für Protest gab es also genug. Doch am Ende folgten nur ein paar Tausend Menschen Guaidós Aufruf. Kein Vergleich mit den einstigen Massendemonstrationen. Die Desillusionierung vieler Venezolaner ist mittlerweile ebenso groß wie ihr Unmut.

Knapp zwölf Monate sind vergangen, seitdem Guaidó zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt worden ist. Damals war er gerade erst 35 Jahre alt und so gut wie unbekannt. Kurz darauf ernannte er sich selbst zum Übergangspräsidenten des Landes. Aus dem Nichts heraus wurde er zur größten Hoffnung von Millionen Venezolanern. Bislang allerdings hat er diese weitestgehend enttäuscht.

Guaidó stammt aus La Guaira, einer Hafenstadt im Bundesstaat Vargas. Sein politisches Erwachen hatte er 1999, als weite Teile der Provinz unter einer Schlammlawine verschüttet wurden. 30 000 Menschen starben, fast ebenso katastrophal wie das Unglück war die Nothilfe der damals schon sozialistischen Regierung.

Ein paar Jahre später schloss Guaidó sich erst den Studentenprotesten gegen Hugo Chávez an, dann dem Oppositionspolitiker Leopoldo López, einem Hardliner, der bis heute als Guaidós politischer Ziehvater gilt. López war es wohl, der ihn 2015 auf die Wahlliste für die Nationalversammlung setzte. Und López war es wohl auch, der Guaidó maßgeblich dazu ermunterte, sich im Januar 2019 selbst zum Interimspräsidenten zu erklären.

Guaidó berief sich dabei auf die Verfassung und auf Unregelmäßigkeiten bei der jüngsten Präsidentschaftswahl. Dazu hatte er sich im Vorfeld auch die Unterstützung der USA gesichert. Mehr als 50 Staaten erkannten ihn daraufhin als legitimen Regierungschef an, darunter Deutschland. Allerdings, und das war das Problem, schaffte es Guaidó nicht, das Militär auf seine Seite zu bringen. Die Generäle wollten ihre Pfründe nicht verlieren, und auch Massenproteste im ganzen Land konnten daran nichts ändern.

Immer wieder unternahm Guaidó in den folgenden Monaten Versuche, die Regierung von Nicolás Maduro zu stürzen. Ohne Erfolg. Die USA schickten keine Truppen, alle Verhandlungen mit dem sozialistischen Regime blieben erfolglos. Dazu zerbröckelte die Opposition. Politiker aus Guaidós eigenen Reihen wurden in Korruptionsskandale verstrickt, und von ihm selbst tauchten unangenehme Fotos auf, die ihn mit kolumbianischen Paramilitärs und Drogenbossen zeigten. Der Rückhalt in der Bevölkerung schwand.

Am 5. Januar 2020 wird nun die Nationalversammlung abermals einen neuen Vorsitzenden wählen. Guiadó möchte das Parlament noch ein weiteres Jahr führen. Ob er die Stimmen dafür zusammenbekommt, ist aber unsicher. Abgeordnete berichten von Einschüchterungen und Bestechungsversuchen. Das Regime von Maduro setzt wohl alles daran, eine Wiederwahl Guiadós zu verhindern - und damit auch jede Hoffnung auf Wandel in dem gebeutelten Land.

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