Profil:John Ratcliffe

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(Foto: REUTERS)

Neuer Chef der US-Geheimdienste und Trump-Fan

Von Hubert Wetzel

Zu sagen, John Ratcliffe genieße das volle Vertrauen des Kongresses, wäre übertrieben. US-Präsident Donald Trump hatte den republikanischen Abgeordneten aus Texas schon vorigen Sommer als neuen Geheimdienstdirektor vorgeschlagen. Damals war der Widerstand im Parlament in beiden Parteien jedoch so groß, dass Ratcliffe zurückzog. Erst im zweiten Anlauf hat es jetzt geklappt - am Donnerstag wurde er vom Senat mit 49 zu 44 Stimmen als Director of National Intelligence (DNI) bestätigt. Mehr Ablehnung hat noch keiner seiner Vorgänger erfahren.

Zu sagen, John Ratcliffe wäre für sein neues Amt besonders gut qualifiziert, wäre ebenfalls übertrieben. Laut Gesetz muss ein Kandidat für das Amt des DNI "umfangreiche Expertise bezüglich der nationalen Sicherheit" besitzen. Was "umfangreiche Expertise" ist, darüber lässt sich zwar streiten. Aber vermutlich meinten die Autoren des Gesetzes damit eine Summe an fachlichem Wissen und praktischer Erfahrung in Geheimdienstdingen, die deutlich größer ist als jene, über die Ratcliffe verfügt.

Dessen Resümee in diesem Bereich ist eher dünn. Der 55-Jährige hat eine Karriere hinter sich, die für texanische Republikaner recht typisch ist: Ratcliffe hat Jura studiert, als Anwalt gearbeitet und war Bürgermeister einer Kleinstadt mit 7000 Einwohnern. 2004 ging er in den öffentlichen Dienst. Ratcliffe wurde damals zwar zum Leiter der für Terrorabwehr und Sicherheit zuständigen Abteilung eines Bundesgerichtsbezirks in Texas ernannt. Allerdings hat er nie einschlägige Fälle verhandelt - auch wenn er 2013 das Gegenteil behauptete, als er sich mit Erfolg um einen Sitz im Kongress bewarb. Immerhin: Als Abgeordneter gehörte Ratcliffe dem Geheimdienst- sowie dem Heimatschutzausschuss an.

Wie also kommt ein junger, unerfahrener Parlamentarier an ein so gewichtiges Amt wie das des DNI? In Donald Trumps Washington ist die Erklärung einfach: Ratcliffe genießt das Vertrauen von Donald Trump. Das reicht. Und er genießt es, weil er während der Russland- und Ukraine-Ermittlungen ein bedingungsloser Unterstützer des Präsidenten war. Mit Dan Coats, dem altgedienten, etwas knorrigen ehemaligen Senator, der bis Mitte 2019 DNI war, wurde Trump dagegen nie richtig warm. Coats glaubte für Trumps Geschmack zu sehr an die Einschätzung der US-Geheimdienste, dass Russland sich in die Wahl 2016 eingemischt hatte.

Das Amt des DNI wurde 2004 als Reaktion auf Terroranschläge vom 11. September 2001 geschaffen, die das Chaos in der amerikanischen Sicherheitspolitik entlarvt hatten. Der Director für National Intelligence ist der ranghöchste Berater des Präsidenten in Geheimdienstangelegenheiten, zudem soll er als Aufseher über die insgesamt 17 Dienste fungieren, welche die US-Regierung sich leistet und von denen einige - allen voran die CIA und die NSA - eine enorme Macht haben. Insofern ist die gesetzliche Vorgabe des Kongresses verständlich, dass der Posten mit einem hochqualifizierten Kandidaten besetzt werden muss. Aber was wen für welches Amt qualifiziert, dafür hat Trump eben seine eigenen Maßstäbe.

Was passiert, wenn kein Geheimdienstprofi auf dem Posten des DNI sitzt, sondern ein politischer Wasserträger, kann man am bisherigen Übergangsdirektor sehen, dem ehemaligen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, der die Lücke zwischen Coats und Ratcliffe ausgefüllt hat. Grenell - ein Mann, der es fertigbringt, sowohl ein echter Bewunderer des Theologen und Antifaschisten Dietrich Bonhoeffer zu sein als auch ein betonharter Trump-Loyalist -, nutzte das Amt vor allem dazu, durch die gezielte Herausgabe von Dokumenten den Eindruck zu erwecken, die Obama-Regierung habe in ihren letzten Tagen eine große Sabotageaktion gegen Trump begonnen. Seinem Chef lieferte er mit diesem vermeintlichen "Obamagate"-Skandal höchst willkommene Wahlkampfmunition.

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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