Profil:Jero Mangku Darma

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Der Tempelpriester auf Bali wirkt als eigensinniger Wächter des Vulkans Agung.

Von Arne Perras

Nachts lauscht er dem Geflüster seiner Träume. Und wenn er erwacht, liest er im dicken, nach Schwefel stinkenden Qualm, den der Berg in den Tropenhimmel speit. Jero Mangku Darma ist Wächter des Vulkans Agung auf der Insel Bali. Und er konzentriert sich nun Tag für Tag darauf, den grollenden Berg vielleicht zu besänftigen. Balis Bewohner und Millionen Touristen werden es ihm danken, falls er Erfolg hat.

Wie gefährlich ein großer Ausbruch des Agung wäre, wissen die Balinesen spätestens seit 1963. Damals starben mehr als tausend Menschen in den Aschewolken am Fuß des Vulkans. Nun spuckt und grollt er schon seit Wochen, aber nicht einmal Vulkanologen können sagen, ob es zur Katastrophe kommt oder nicht. Die Regierung will kein Risiko eingehen, hat Notfallpläne ausgearbeitet, Ortschaften evakuiert, ständig analysiert sie seismische Daten. Doch der Tempelpriester aus Sebudi geht einen anderen Weg. Er vertieft sich ins Gebet, entzündet Räucherkerzen und platziert Opfergaben im Tempel, Blumen, Blätter vom Betelnussbaum und gelben Reis.

Priester Darma murmelt Mantras in der alten Sprache Sanskrit, die schon lange keiner mehr spricht. Aber vielleicht hören es die Götter, die auf dem Berg wohnen. Der Agung ist den Balinesen schließ-lich heilig. Und weil es nun so aussieht, als würde der Berg im Zorn erzittern, setzen viele Hoffnung auf den 75-Jährigen. Vielleicht schläft der Agung wieder ein.

Vulkanwächter. Ein riskanter Beruf. Darma sieht ihn eher als Berufung. Und natürlich als Erbe, das sich nicht ausschlagen lässt. Man sucht sich so ein Leben nicht aus, man übernimmt das spirituelle Amt des "Pemangku" vom Vater. Es gibt viele Tempelwächter auf Bali, aber keinen, der so nahe am Agung lebt wie Darma aus Sebudi, fünf Kilometer vom Krater entfernt.

Dass er in einer langen Ahnenreihe steht, empfindet der Priester als unverrückbare Verpflichtung. So nah am Vulkan sollte längst niemand mehr wohnen, mahnt der Staat. Fast alle Nachbarn haben ihre Häuser verlassen. Aber Darma bleibt: "Ich kann nicht gehen. Die Geister am Agung sind wütend, ich muss beten und sie um Vergebung bitten", sagte er einem lokalen Reporter. Nur falls ihm der Berg ein Zeichen gebe, wenn Feuer und Rauch signalisieren, dass es Zeit sei, will Priester Darma aufbrechen. Sonst nicht.

Dass dem 3000 Meter hohen Agung mystische Kräfte zugewiesen werden, ist nicht verwunderlich in einem Land, dessen Bewohner seit Jahrtausenden mit den brodelnden Gefahren aus dem Erdinnern leben. 130 aktive Vulkane besitzt Indonesien, das sind mehr feuerspeiende Berge als in jedem anderen Staat. Anthropologen beobachten, wie stark der Geisterglaube noch immer die hinduistisch-balinesische Kultur durchdringt. Darma sagt, er könne seinen Pflichten nicht entsagen. Sonst würden er mit Wahnsinn gestraft.

Die Priester am Agung riskieren viel, um ihre Aufgaben zu erfüllen, im September noch kletterten einige bis zum Kraterrand hinauf, es heißt, sie hätten lebende Tiere geopfert und in den Schlund geworfen. Hühner, Ziegen, Affen, sogar Büffel. Aber war das wirklich noch möglich, wo es schon so gewaltig rauchte? Über die Details des Rituals wird auf Bali jetzt lieber geschwiegen. Denn der Staat sieht es gar nicht gerne, wenn Menschen bei höchster Gefahr den Krater erklimmen.

Der Tod war Darma schon als junger Mensch sehr nahe. Damals, 1963, betete noch sein Vater als Wächter zum Vulkan. Doch alle Beschwichtigungen halfen nichts. Glühend heiße Aschewolken rasten den Abhang hinunter bis nach Sebudi. Vater und Mutter starben, der Sohn überlebte nur mit großem Glück. Der Priester weiß, dass es bald auch ihn treffen kann. Deshalb hat er vorgesorgt und seinen Sohn in die Geheimnisse des Amtes eingeweiht. Wenn Darma stirbt, wird er der nächste Pemangku sein. Ein Vulkan ohne Wächter, das kann es auf Bali einfach nicht geben.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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