Profil:Isabel Allende

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(Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Bestsellerautorin trotzt den Schicksalsschlägen in ihrem Leben Bücher ab.

Von Karin Janker

Dass Schriftsteller mitunter autobiografisch arbeiten, ist per se keine Besonderheit. Blickt man aber auf Leben und Werk Isabel Allendes - und auf ihr neuestes Buch, so bekommt man den Eindruck: Diese Frau verarbeitet Schicksalsschläge zu Büchern, deren erbaulicher Ton eine Trotzreaktion dem Leben gegenüber ist. Wenn die Autorin des Weltbestsellers "Das Geisterhaus" in Interviews schildert, wie das Schreiben ihr geholfen habe, etwa den Tod ihrer Tochter oder ihre Scheidung zu verarbeiten, wirkt es, als schreibe Isabel Allende, um solche Krisen zu überleben. Das mag pathetisch klingen, aber Pathos, das darf man über Allende sagen, liegt dieser Autorin nicht fern.

Tatsächlich war bereits der Beginn ihres literarischen Schaffens eine Reaktion auf ein Trauma: Womöglich hätte sie nie Romane geschrieben, sondern wäre weiterhin Journalistin geblieben, hätte sie nicht mit Anfang 30 ihr Heimatland Chile verlassen müssen. Nach dem Militärputsch Augusto Pinochets gegen die Regierung von Salvador Allende, einem Cousin von Isabels Vater, stand sie auf der schwarzen Liste der Junta. Sie floh zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nach Venezuela, in ein Land, das die Flüchtlinge nicht gerade willkommen geheißen habe, so Allende.

Ihre Initiation als Schriftstellerin erlebte sie, wenn man der Legende glauben will, als ihr Großvater im Sterben lag. An einem 8. Januar habe sie davon erfahren und ihm einen Brief geschrieben - der ihn nie mehr erreichen sollte; aus diesem Brief entstand 1982 ihr erster Roman "Das Geisterhaus". Allende liebt die Rituale, die Magie der Zahlen wie der Worte. Die Vornamen sämtlicher Protagonistinnen in ihrem Debütroman bedeuten "weiß": Clara, Nívea, Alba, Blanca. Und neue Romane beginnt sie seit jenem Tag immer an einem 8. Januar.

Dass "Das Geisterhaus" ein Bestseller wurde, 1993 mit Meryl Streep und Glenn Close in den Hauptrollen verfilmt, hatte aber andere Gründe: Allende konnte mit ihrer eigenen Spielart des magischen Realismus vom Ruhm ihres damals bereits populären Vorbilds Gabriel García Márquez profitieren. "Das Geisterhaus" fiel mitten hinein in den Boom der lateinamerikanischen Literatur in Europa, der einer ganzen Generation von Schriftstellern den Namen gab: der Boom-Generation.

Von deren anderen Vertretern wurde die 1942 geborene Allende indes nicht sonderlich geschätzt. Der zehn Jahre jüngere Roberto Bolaño sagte über ihre Bücher einmal, sie gehörten zur Kategorie des "schwachen Denkens". Zur Avantgarde zählte ihr Schreiben nie. Die Leser aber lieben Allendes Geschichten, in denen starke Frauen im Zentrum stehen - auch wenn die Kritik ihr längst das Label Kitsch angeklebt hat. Mehr als 70 Millionen Bücher hat sie inzwischen weltweit verkauft. Über ihren neuen Roman "Ein unvergänglicher Sommer", der nun auf Deutsch erscheint, lästerte die New York Times, die süßliche Altersromanze, die im Zentrum stehe, vertrage sich nicht mit dem gewichtigen Thema der Migration, mit dem die Autorin sie anzureichern versuche.

Isabel Allende kümmert das wenig: Sie schreibe, weil sie müsse, und über das, was sie bewege. Wenn es um Liebe im Alter geht, hat auch das wieder mit ihrem Leben zu tun: Er heiße Roger, verriet sie letztens der Welt am Sonntag. Mit ihm lebe sie in New York, endlich wieder glücklich.

Den schwersten Schicksalsschlag erlitt Allende 1992, als ihre Tochter Paula mit 28 Jahren starb. Sie trauerte; und veröffentlichte 1994 "Paula". Zwei Jahre später gründete sie eine Stiftung, die aus Lateinamerika eingewanderte Frauen und Kinder in den USA unterstützt. Sie war schließlich selbst einmal Flüchtling, wenn auch in einer vergleichsweise privilegierten Situation. Barack Obama verlieh ihr 2014 die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten. Sie sei, sagt Allende über sich, durch ihr ereignisreiches Leben nicht verschlossen oder verbittert geworden, sondern unverwüstlich.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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