Profil:Iratxe García

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Chefin der Sozialdemokraten im Europaparlament.

Von Matthias Kolb

Auf ihrem Weg an die Spitze der EU-Kommission muss Ursula von der Leyen vor allem diese Frau überzeugen. Iratxe García Pérez führt seit Mitte Juni die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament, und ihrem Urteil über die Tauglichkeit der Bundesverteidigungsministerin dürften viele folgen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte die Spanierin nun, sie sehe die Unterstützung von Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei für von der Leyen zwar nicht als gutes Empfehlungsschreiben, doch zugleich warnte sie vor vorschneller Ablehnung: "Wir werden die Person aber nicht beurteilen, bevor wir ihr zugehört haben."

Das Gespräch soll Mitte dieser Woche stattfinden, und Garcías Äußerung passt ins Bild, das sich seit Tagen festigt. Den vehementesten Widerstand gegen von der Leyen, die bei der Europawahl keine Spitzenkandidatin war, gibt es unter den Abgeordneten der SPD. Der Rest ist offener, allen voran die Spanier: Sie wissen, dass ihr Premierminister Pedro Sánchez das Personalpaket nach Absprache mit Angela Merkel und Emmanuel Macron guthieß, wonach die Französin Christine Lagarde, der Belgier Charles Michel und Spaniens Außenminister Josep Borrell die Posten als Chefin der Europäischen Zentralbank, Ratspräsident und EU-Außenbeauftragter erhalten sollen.

Dass García engste Beziehungen zu ihrem Förderer Sánchez unterhält, weiß jeder in der Brüsseler Politblase. Wer wie manche Christdemokraten so weit geht, sie als "ferngesteuerte Marionette" zu sehen, dürfte ihre Zielstrebigkeit allerdings unterschätzen. Ihr Aufstieg symbolisiert die Machtverschiebung in Europas Sozialdemokratie: Garcías Vorgänger war der 63-jährige SPD-Politiker Udo Bullmann, der zurückzog, als er merkte, dass er chancenlos war. Denn durch ihr Wahlergebnis von 15,8 Prozent hat die SPD elf Mandate verloren und ist mit 16 Abgeordneten nur noch drittstärkste Gruppe hinter den Italienern (19) und den Spaniern (20).

Deren Delegation leitete Iratxe García seit 2014, den Parlamentsbetrieb kennt sie bestens. Die 44 Jahre alte Baskin ging nach einem Diplom in Sozialarbeit zügig in die Politik: 1995 wurde sie ins Provinzparlament von Valladolid gewählt, fünf Jahre später war sie Abgeordnete in Madrid. 2004 folgte der Wechsel nach Brüssel, wo sie sich um regionale Entwicklung kümmert. 2014 übernahm sie für zweieinhalb Jahre den Vorsitz im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. Auch als Fraktionschefin hält García ihre Reden bisher meist auf Spanisch. Ihr Twitter-Profil verrät, was sie sich für Europa wünscht: mehr Gerechtigkeit, Solidarität, Feminismus, Vielfalt und Umweltbewusstsein.

Welche Pläne die Christdemokratin von der Leyen in diesen Bereichen hat und wo eine von ihr geführte EU-Kommission zu Zugeständnissen bereit sein könnte, wird García genau wissen wollen. Zu schnell kann sie ihre Meinung zum Spitzenkandidaten-Prinzip nicht ändern, denn sie hatte es bis zuletzt verteidigt und für den Niederländer Frans Timmermans geworben. Je konkreter von der Leyen wird, desto eher könnte eine Mehrheit der 154 Sozialdemokraten am 16. Juli für sie stimmen. Ihre Fans wissen, dass sich ein "Nein" der Europa-SPD und der Genossen aus Belgien und den Niederlanden durch 27 Ja-Stimmen der rechtsnationalen polnischen PiS ausgleichen lässt.

Die Erwartung, dass García letztlich empfehlen dürfte, für von der Leyen zu stimmen, wird damit erklärt, dass ihr Parteifreund Borrell sonst den Job als EU-Chefdiplomat verlieren könnte und Premier Sánchez sich blamiert hätte. Dass sie die nötige Härte besitzt, weiß Manfred Weber: Dem EVP-Spitzenkandidaten sagte García beim ersten Treffen der Fraktionschefs, dass er es "nicht persönlich" nehmen solle, aber ihre Fraktion könne ihn nicht unterstützen. Es war ein herber Rückschlag für den CSU-Vize, ohne dessen Scheitern von der Leyens Aufstieg unmöglich gewesen wäre.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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