GroßbritannienDer ganz besondere Moment des Labour-Abgeordneten Benn

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Geklatscht wird im britischen Unterhaus nicht. Normalerweise. Doch nach Hilary Benns Rede zum Syrien-Einsatz war alles anders.

Von Christian Zaschke

Zehn Stunden lang hatten die britischen Parlamentarier am Mittwoch bereits debattiert, als Schatten-Außenminister Hilary Benn am späten Abend ans Rednerpult trat. Nach menschlichem Ermessen war zu diesem Zeitpunkt alles gesagt zu der Frage, ob Großbritannien sich an Luftschlägen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat beteiligen sollte.

Doch dann wurden die Abgeordneten Zeugen eines jener raren parlamentarischen Glücksmomente, in denen eine Rede große Kraft entfaltet. 15 Minuten lang sprach der Labour-Abgeordnete Benn, die Kollegen lauschten gebannt, und als er damit endete, dass das Vereinigte Königreich den "Faschismus des IS" bekämpfen müsse, erhielt er Beifall.

Das ist auch deshalb so ungewöhnlich, weil im britischen Parlament grundsätzlich nicht geklatscht wird. Aber die Abgeordneten spürten, dass Benn ihnen einen besonderen Moment beschert hatte, und setzen sich über die Konvention hinweg.

Für Cameron und Corbyn ist Benns Auftritt ein Problem

Bereits seit 1999 sitzt der 62 Jahre alte Benn für den Wahlkreis Leeds Central im Parlament. Seine Karriere verlief unauffällig, er gilt als kompetent, aber nicht sonderlich aufregend. Er diente in den Regierungen von Tony Blair und Gordon Brown als Entwicklungs- und Umweltminister - wovon sein Vater Tony Benn, eine Ikone des linken Labour-Flügels, wenig bis nichts hielt. Ihm waren Blair und Brown viel zu sehr Politiker der Mitte. Die Benns sind eine politische Familie, Hilary Benn ist Abgeordneter in der vierten Generation. Das hält ihn nicht davon ab, viel weiter in der Mitte zu stehen als sein 2014 verstorbener Vater, der die Position seines Sohnes zu den Luftschlägen sicher abgelehnt hätte.

Sowohl für den konservativen Premierminister David Cameron als auch für Labour-Chef Jeremy Corbyn ist Benns rhetorisches Glanzstück ein Problem. Zwar dürfte Benn dem Premier einige zusätzliche Labour-Stimmen verschafft haben, doch es wurde Cameron vor Augen geführt, welche Rede er selbst hätte halten müssen und wie schwach sein Auftritt im Vergleich war.

Corbyn hingegen musste erleben, dass seine Autorität als Parteichef untergraben wurde. Er hatte an die Partei appelliert, geschlossen gegen die Angriffe zu stimmen. Auch dank Benns fulminanter Rede entschlossen sich 66 Labour-Abgeordnete dazu, die Regierung in der Frage zu unterstützen, darunter elf Mitglieder des Schattenkabinetts. Die Abstimmung hat gezeigt, dass die Labour-Fraktion gespalten ist.

Dass Benn nun aktiv zum Rivalen für Corbyn werden könnte, gilt dennoch als unwahrscheinlich. Der vierfache Familienvater, Anti-Alkoholiker und Vegetarier schätzt sein Leben abseits des Rampenlichts. Doch sollte Corbyn in absehbarer Zeit das Handtuch werfen, bleibt Benn womöglich keine andere Wahl, als mehr Verantwortung zu übernehmen. Seine Rede hat Begehrlichkeiten zumindest beim moderaten Labour- Flügel geweckt, der in Hilary Benn seit dem späten Mittwochabend den Mann sieht, der die Partei wieder einen könnte.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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