Profil:Günther Platter

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(Foto: Matthias Balk/dpa)

Erster unter Gleichen auf der Isolierstation Tirol.

Von Peter Münch

Es war um 22 Uhr am Mittwochabend, als Günther Platter auf Facebook ein Video freischaltete: Schlecht ausgeleuchtet stand der Tiroler Landeshauptmann vor der Kamera, linker Hand die Flagge mit dem roten Adler. Er schaute ernst, er knetete die Finger, und er sagte: "Tirol isoliert sich selbst." Von Mitternacht an bis zum 5. April hat der Regierungschef eine Quarantäne verhängt über alle 279 Gemeinden und alle 750 000 Einwohner seines österreichischen Bundeslandes. Von "Kraft und Konsequenz" hat er noch gesprochen und zum Abschied mit dialektgefärbtem Pathos erklärt: "Gemeinsam pack ma des." Doch ob er selbst es schafft, aus dieser Nummer heil herauszukommen, ist keineswegs gewiss.

Denn der 65 Jahre alte ÖVP-Politiker, der so gern den gemütlichen Landesvater gibt, muss sich schwere Versäumnisse bei der Bekämpfung des Coronavirus vorwerfen lassen. Die Skigebiete im schönen Tirol und allen voran der feierwütige Ort Ischgl gelten mittlerweile als Ausgangspunkt einer Infektionskette, die sich quer durch Europa zieht. Hunderte, eher sogar Tausende Touristen dürften das Virus von hier aus unter anderem nach Deutschland, in die Niederlande und nach Skandinavien gebracht und dort verbreitet haben. Als dieses schöne Tirol dann anderswo längst zum Risikogebiet erklärt worden war, haben die dortigen Behörden, offenbar mit Rücksicht auf die Einnahmen aus dem Tourismus, viel zu lange gezögert, die Skilifte und die Après-Ski-Bars zu schließen. Obendrein haben sie dann noch bis ins Bizarre hinein geleugnet, irgendetwas falsch gemacht zu haben.

Erst als der Druck wohl auch aus Wien kam, hat Platter nun die Reißleine gezogen und sein Bundesland abgeschottet, in dem allein ein Viertel aller rund 2000 österreichischen Infektionsfälle gezählt werden. Sogar ein wenig Selbstkritik hat er sich abgerungen: "Es ist auch keine Schande zu sagen, dass man mit den Erkenntnissen von heute durchaus noch früher Entscheidungen getroffen hätte." Aber: "Das Buch jetzt von hinten zu lesen, ist leicht."

Mit Büchern immerhin kennt er sich aus, als Buchdrucker hat er sein Berufsleben begonnen. Danach ist er zur Gendarmerie gegangen, und dass er schließlich in der Politik gelandet ist, bezeichnet er selbst immer als "Zufall". Dieser Zufall trägt ihn nun schon durch mehr als drei Jahrzehnte. Begonnen hat er als Gemeinderat und Bürgermeister in seinem Heimatort Zams im Tiroler Oberland. Dort lebt er auch heute noch mit seiner Frau, die beiden Söhne sind erwachsen. Karriere gemacht hat er als Politik-Pendler zwischen Wien und Innsbruck. Im Bund diente er erst als Verteidigungs-, dann als Innenminister. Am Ziel war er 2008, als er nach Tirol zurückkehrte und zum Landeshauptmann gekürt wurde.

Jüngst hat er die Bayern und die Bundesregierung in Berlin das Fürchten gelehrt als Kämpfer gegen den Transitverkehr. Das sichert ihm die Dankbarkeit der lärm- und abgasgeplagten Tiroler. Die Wahlerfolge sind zudem der stets betonten Bodenständigkeit geschuldet. Im Bierzelt greift er gern mal zur Gitarre und singt Tiroler Lieder. In der Jugend hat er es auch mal lauter geliebt. Satisfaction of the Night hieß seine Rockband, doch das ist lange her. Neben der Musik gilt seine Leidenschaft dem Skifahren und Wandern. "Tirols Berge sind für mich der beste Platz, um Kraft für meine tägliche Arbeit zu tanken", hat er kürzlich erst in einem Interview gesagt.

Die Quarantäne wird nun auch ihn bis auf Weiteres in den Niederungen gefangen halten. Den Landsleuten hat er aufmunternd empfohlen, nun nicht zu verzagen oder zurückzublicken: "Jetzt müssen wir nach vorn schauen und unsere volle Kraft und Energie und Konzentration auf die Bewältigung dieser Krise legen." Sechs Minuten hat Platters Ansprache insgesamt gedauert. Dann gingen die Kamera und die Lichter aus, und es wurde still in Tirol.

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